Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild liegt nicht vor, wenn Fotos der Teilnehmer von öffentlichen Veranstaltungen ohne deren Einwilligung verwendet werden. Hat ein Vermieter für seine Mieter ein Fest ausgerichtet und hierbei Aufnahmen erstellt, dann dürfen diese Fotos oder Videos zu Werbezwecken -im Internet oder in einer Broschüre- verwendet werden, ohne dass es der Einwilligung der abgebildteten Personen bedarf. Auf eine Einverständniserklärung kommt es nur an, wenn die Person sich auf ein berechtigtes Interesse berufen kann, z.B. weil sie in einer privaten Situation gezeigt wird und das nicht möchte (BGH, Urteil vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13).
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Das Urteil (BGH, Urteil vom 11. November 2014 – VI ZR 9/14) gibt es hier:
- Tenor
- Die Revisionen gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 26. März 2013 werden auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
- Von Rechts wegen
- Tatbestand
Die Klägerinnen, Großmutter, Tochter und Enkelin, nehmen die Beklagte, eine Wohnungsbaugenossenschaft, auf Zahlung einer Geldentschädigung und von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung und Verbreitung eines Fotos in Anspruch, das die Klägerinnen gemeinsam auf einem von der Beklagten im August 2010 veranstalteten Mieterfest zeigt.
Bei dem jährlich stattfindenden Mieterfest der Beklagten wurden Fotos gefertigt, unter anderem das beanstandete Foto, auf dem im Vordergrund die Klägerinnen zu 1 und 2 zu sehen sind, wie sie die Klägerin zu 3, ein Kleinkind, füttern. Dieses Foto veröffentlichte die Beklagte in ihrer Broschüre "Informationen der Genossenschaft", Ausgabe 2010, neben weiteren neun Fotos, auf denen Teilnehmer des Mieterfestes, einzeln und in Gruppen, zu sehen sind. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2.800 Stück hergestellt und an Genossenschaftsmieter verteilt.
Auf ein vorgerichtliches Anwaltsschreiben der Klägerinnen gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weigerte sich jedoch, den ebenfalls begehrten "Schadensersatz" in Höhe von insgesamt 3.000 € und die Abmahnkosten in Höhe von 837,52 € zu zahlen. Die hierauf gerichteten Klagen hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufungen der Klägerinnen hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter.
- Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheidet ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung der Klägerinnen gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bereits deshalb aus, weil jedenfalls keine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen vorliegt. Ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der Abmahnkosten scheitere daran, dass es bereits an der dafür erforderlichen Voraussetzung einer rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerinnen bzw. ihres Rechts am eigenen Bild aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG fehle. Die Verbreitung des Bildnisses der Klägerinnen in der Mieterbroschüre der Beklagten ohne deren Einwilligung sei zwar nicht bereits nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt, weil die Teilnahme der Klägerinnen an dem Mieterfest kein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei. Jedoch sei die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen jedenfalls nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen. Der Anwendungsbereich dieser Regelung sei nicht von vorneherein auf Fotos von Personengruppen beschränkt, sondern erfasse auch sogenannte repräsentative Aufnahmen, bei denen einzelne Personen als charakteristisch und beispielhaft für die Ansammlung herausgegriffen worden seien. Die auch im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerinnen am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von dem Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit führe zu dem Ergebnis, dass die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerinnen auch ohne deren Einwilligung zulässig gewesen sei.
II.
A) Die Revision ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung uneingeschränkt zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte (Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, VersR 2011, 896 Rn. 8; vom 16. Juli 2013 - VI ZR 442/12, VersR 2013, 1181 Rn. 13; vom 17. September 2013 - VI ZR 95/13, VersR 2013, 1406 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, VersR 2012, 1140 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11, jeweils mwN). Hat das Berufungsgericht - wie hier - die Zulassungsentscheidung ohne einschränkenden Zusatz in den Tenor aufgenommen, kann sich eine Beschränkung der Zulassung aus der Begründung der Zulassungsentscheidung ergeben. Daran fehlt es hier. Vielmehr scheidet bei einer - vom Berufungsgericht angenommenen und mit der Zulassungsfrage angesprochenen - Zulässigkeit der Bildberichterstattung sowohl ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten als auch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus.
B) Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatten die Klägerinnen gegen die Beklagte allerdings bereits deshalb keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Veröffentlichung des beanstandeten Bildnisses, weil dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der Abgebildeten nicht verletzt wurden (§ 23 Abs. 2 KUG). Auf die Zulassungsfrage nach der Reichweite des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG kommt es deshalb nicht an.
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
3. Nach diesen Grundsätzen war die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig.
a) Bei dem beanstandeten Foto der Klägerinnen handelte es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 mwN). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können auch Veranstaltungen von nur regionaler oder lokaler Bedeutung gehören (vgl. zu Sportveranstaltungen Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO). Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und es bedarf gerade bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 20 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 20; vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 14 und vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, aaO Rn. 12 f.). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln.
b) Die Bildberichterstattung in der Informationsbroschüre der Beklagten befasst sich mit dem - jährlich stattfindenden - Mieterfest der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft im August 2010 und zeigt repräsentativ auf insgesamt zehn Bildern Teilnehmer, sowohl in Gruppen, als auch einzeln. Die Bilder fangen Szenen des Mieterfestes ein, die ein harmonisches Zusammensein von Jung und Alt in fröhlicher und entspannter Atmosphäre zeigen. Die Bildberichterstattung vermittelt den Eindruck, dass Mitbewohner aller Altersgruppen das Fest genossen haben und zwischen ihnen gute nachbarschaftliche Beziehungen bestehen. In diesen Zusammenhang passt gerade das Bild der Klägerinnen, welches drei Generationen vereint. Zwar gibt es - außer dem Hinweis auf das Mieterfest und der Ankündigung der entsprechenden Veranstaltung im Folgejahr - keine begleitende Textberichterstattung, doch bereits durch die Auswahl der gezeigten Fotos wird dem Leser - so zutreffend das Berufungsgericht - ein Eindruck über dessen Verlauf vermittelt. Das Mieterfest ist ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Beklagten, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Beklagten zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Die Beklagte kann sich - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren. Die Bildberichterstattung der Beklagten über das Mieterfest in ihrer Informationsbroschüre an ihre Mieter erfüllt eine wichtige Funktion, denn ein solches Fest pflegt und schafft gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass die Mitbewohner sich in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfühlen und es sich lohnt, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.
c) Die Beeinträchtigung der Rechte der Klägerinnen durch das - ohne Namensnennung - veröffentlichte Foto ist dagegen gering. Es handelte sich um ein für alle Mieter und Mitbewohner zugängliches Fest, über welches die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon in den Vorjahren in ihrer Mieterbroschüre in Bildern berichtet hatte. Insofern war zu erwarten, dass in entsprechender Weise auch über das Mieterfest 2010 berichtet werden würde. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Foto heimlich angefertigt wurde, auch wenn die Klägerinnen die Anfertigung der konkreten Aufnahmen möglicherweise nicht bemerkt haben. Die Informationsbroschüre der Beklagten wurde schließlich nur an ihre Mieter verteilt, mithin an einen begrenzten Adressatenkreis, aus dem die Teilnehmer des Mieterfestes stammten. Die Revision macht schließlich nicht geltend, dass die Veröffentlichung des Bildes die kindgerechte Entwicklung der Klägerin zu 3 beeinträchtigen könnte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
4. Der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses stehen auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Klägerinnen entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild ist in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend. Entsprechendes macht die Revision auch nicht geltend.
5. War mithin die von den Klägerinnen angegriffene Veröffentlichung der beanstandeten Bildberichterstattung auch ohne ihre Einwilligung zulässig, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten noch ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Quelle: AfP 2014, 324-325 (Leitsatz und Gründe)
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