Hat die abgelichtete Person einst in die Veröffentlichung ihres Fotos oder Videos eingewilligt, kann die Einwilligung auch später noch widerrufen werden, wenn ein nachvollziehbarer Grund vorliegt. Auch ist die Anfechtung der Einverständniserklärung zum Beispiel bei einem Irrtum oder einer Täuschung möglich (LG Köln, Urteil vom 14.08.2013 - 28 O 62/13).
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Das Urteil des LG Köln (Urteil vom 14.08.2013 - 28 O 62/13) gibt es hier:
Die Klägerin ist Mitarbeiterin des A. Die Beklagten sind Rundfunkanstalten, die zur ARD gehören. Im Gemeinschaftsprogramm der ARD wurde am 22.6.2011 die Sendung "X" ausgestrahlt, welche von den Beklagten zu 1 und zu 2 zu verantworten ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. In einer geänderten Fassung wurde der Film durch die Beklagte zu 1 erneut am 27.3.2012 ausgestrahlt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K3 Bezug genommen. Die Beklagte zu 2 strahlte eine geänderte Fassung des Beitrags am 4.4.2012 ein weiteres Mal aus. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K5 Bezug genommen Bestandteil aller Filme ist eine Interviewsequenz des Filmautoren B mit der Klägerin, zu der es wie folgt kam:
Die Klägerin nahm am 4.11.2010 in H als Vortragende für den A an der Veranstaltung "Welt-Bioethanol-Konferenz" teil. Ihr Vortrag befasste sich mit den Themen Bioethanol, Zertifizierungssystemen und Bioenergie. Nach ihrem Vortrag trat Herr B mit der Bitte um ein Interview an die Klägerin heran. Herr B stellte der Klägerin in dem Interview, das aufgezeichnet wurde, unter anderem Fragen zu einer Plantage in S, Indonesien.
Mit Schreiben vom 14.6.2011 focht die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 sowie Herrn B die Einwilligung wegen arglistiger Täuschung an und widerrief diese aus wichtigem Grund.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.3.2012 wurde die Beklagte zu 1 erfolglos dazu aufgefordert, hinsichtlich der beanstandeten Interviewsequenz eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 30.4.2012 wurde die Beklagte zu 2 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Gegenüber beiden Beklagten focht die Klägerin ihre Einwilligung erneut an und widerrief dieser aus wichtigem Grund.
Die Klägerin behauptet, dass auf ihre Frage, was Gegenstand des Interviews sein werde, Herr B erklärt habe, dass es in dem Interview um den Vortrag gehen solle, den die Klägerin zuvor gehalten hatte. Die Einwilligung der Klägerin in das Interview habe sich ausdrücklich auf Fragen zum Gegenstand des Vortrags gezogen. Ihre Einwilligung habe sich nicht auf Fragen bezogen, die mit ihrem Vortrag nichts zu tun gehabt hätten. Sie habe Herrn B mehrfach darauf hingewiesen, dass sie keine Kenntnis von den von ihm angeführten allgemeinen Positionen des A und den angesprochenen Projekten, insbesondere der Plantage T habe. Dies werde in dem Interview nicht dargestellt. Demzufolge werde im streitgegenständlichen Film der Eindruck erweckt, ihr sei das Projekt bekannt und sie habe hierzu Auskunft geben können. Hinsichtlich ihrer Äußerung, ihr sei das Projekt bekannt gewesen, habe es sich ihrerseits um einen Irrtum gehandelt, da sie zwei Projekte verwechselt habe. Aus Höflichkeit habe sie sich dennoch bemüht, Antworten zu finden, obwohl sie eigentlich nicht damit einverstanden gewesen sei, derart überrumpelt worden zu sein und in die Ecke gedrängt zu werden. Ihre im Nachhinein in einem Interview gegenüber dem A erfolgte Äußerung, dass es ihr jetzt am liebsten wäre, dass das gesamte Material des Interviews veröffentlicht werden würde, habe die Klägerin lediglich im Nachhinein als resignative Reaktion auf die bereits erfolgte Veröffentlichung getätigt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich eine wirksame Einwilligung lediglich auf Fragen zu ihrem Vortrag beschränkt hätte, darüber hinausgehende Fragen seien nicht von einer Einwilligung erfasst gewesen. Selbst wenn man dies anders sähe, sei ihre Einwilligung aufgrund der wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung entfallen.
Die Klägerin ist der Meinung, dass Herr B sie dadurch arglistig getäuscht habe, dass er ihr nicht wie vereinbart Fragen zu ihrem Vortragsthema gestellt habe. Zudem habe er sie dadurch arglistig getäuscht, dass die Angaben zu der Plantage in Indonesien, zu der sie befragt worden sei, und die einen Schwerpunkt des streitgegenständlichen Films darstellten, unwahr seien. Da ihr diese Plantage nicht bekannt gewesen sei, worauf sie Herrn B auch hingewiesen habe, habe sie zudem keine Chance gehabt, diese Falschbehauptung im Interview zu korrigieren. Schließlich habe Herr B sie niemals über den Inhalt seines tatsächlich geplanten Beitrags in Kenntnis gesetzt.
Die Klägerin ist zudem der Meinung, dass ein wichtiger Grund für einen Widerruf der Einwilligung vorliege. Denn aufgrund der Ausstrahlung des Interviews sei es auf
verschiedenen Internetplattformen zu schmähenden und herabsetzenden Kommentaren gekommen, die dazu zugeführt hätten, dass sie sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen.
Die Klägerin beantragt,
es den Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Intendanten, zu untersagen, die Interviewsequenz mit der Klägerin aus dem Film "X" von B erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, welche folgenden Wortlaut aufweist:
"W.H.: Wir haben in Indonesien gedreht, auf einer Plantage, die mit Zustimmung des A angelegt wurde. Da ist auch ein Naturwald, der erhalten bleibt, 80 ha, mit Oran-Utans. Die Plantage ist 14.000 ha. Also 0,5 % des Waldes werden erhalten. Ist das ein Erfolg, wenn 99,5 % vernichtet werden?
D.B.: Es ist zumindest ein Anfang, oder? Wenn der A nicht in diesem Projekt mitgearbeitet hätte, bin ich mir sicher, dass die Firma den ganzen Wald zu Plantagen umgewandelt hätte.
W.H.: 80 ha - das ist der sichere Tod dieser Orang-Utans.
D.B.: Also, der sehr sichere Tod wäre ja, wenn die 80 ha jetzt gar nicht mehr da wären. Da wären sie jetzt schon tot.
W.H.: Ich meine, die Absicht mag ja da sein, dass man Nachhaltigkeit durch den engen Dialog mit der Industrie durchsetzen will, aber besteht nicht die Gefahr, dass man da in eine Falle läuft als Naturschutzorganisation? Dass man nur benutzt wird, um die ganze Art und Weise der Produktion grünzuwaschen?
D.B.: Also, der A hat einen sehr starken Code of Conduct, in dem genau dieses verhindert werden soll. Und wenn mit Firmen Kooperationen geschlossen werden, dann steht jedes Mal im Vertrag: Wenn Gelder fließen, verpflichtet das zu gar nichts, und beide Seiten nehmen daran freiwillig teil und beide Seiten können auch wieder aufhören, wenn es ihnen nicht mehr gefällt.
W.H.: Und das reicht Ihnen?
D.B.: Also, wir leben nun einmal in einer Welt mit Weltwirtschaft, wo Geld ein normales Mittel ist. Ich weiß nicht, warum Sie das jetzt so negativ darstellen, dass Dinge auch mal was kosten. Also, z.B. hierhin zu fliegen, um hier was vorzutragen, hat auch was gekostet. Um aber unsere Message rüber zu bringen, muss ich dann doch persönlich hier sein.
W.H.: Naja, Sie wissen schon, wie ich das meine, weil ja auch andere Gruppen solche Großspenden ablehnen, also andere Naturschutzgruppen. Weil sie sagen, die Gefahr ist doch sehr groß, dass das zu Abhängigkeit führt, wenn man zu eng mit der Industrie den Schulterschluss macht.
D.B.: Ja, andere NGOs haben dann vielleicht auch nicht den Impact.
W.H.: Gut, was ist ihr Impact? Was sind die Erfolge?
D.B.: Also, ich finde es einerseits angenehm, auch als NGO nicht nur belächelt zu werden, sondern als kompetenter Gesprächspartner akzeptiert zu werden. Wie gesagt, wir arbeiten sciencebased, wir haben immer erst eine Studie, bevor wir eine Meinung äußern. Wir versuchen nicht auf Emotionalität zu setzen, und mit diesen wissenschaftlich basierten Aussagen haben wir auch schon einiges bewegen können.
W.H.: Beispiel?
D.B.: Ich glaube nicht, dass ich eins finden kann, an dem Sie nicht rummäkeln werden."
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, dass Herr B nicht einleitend gesagt hätte, in dem Interview solle es um den Vortrag gehen. Er habe vielmehr darauf hingewiesen, dass es um Themen gehe, die mit dem Vortrag zusammenhängen. Bereits im Vorfeld des Interviews habe ein telefonischer Kontakt zwischen der Klägerin und Herrn B bestanden. Herr B habe die Klägerin im Wesentlichen zum Gegenstand ihres Vortrags befragt, so dass von einer Täuschung keine Rede sein könne. Auch habe die Klägerin vor dem Interview, während des Interviews oder danach keinerlei Andeutungen gemacht, dass bestimmte Teile nicht verwendet werden dürften. Die Klägerin sei auch in keiner Weise überrascht gewesen, als Herr B auch zu Palmöl und Sojaöl sowie zu allgemeinen Positionen des A Fragen gestellt habe. Die Klägerin habe sich dazu bereitwillig und ohne jeden Vorbehalt geäußert. Die Klägerin habe auch keinen Autorisierungsvorbehalt vereinbaren wollen. In einem Interview auf der Homepage des A habe sich die Klägerin im Nachhinein wie folgt geäußert: "Ja. Mir wäre am liebsten, Herr B würde das gesamte gedrehte Material des Interviews veröffentlichen. Dann könnten alle sehen, wie er gearbeitet hat." Demzufolge habe sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass das gesamte Interview veröffentlicht werde. Ferner sei die Klägerin nicht gedrängt worden, die Fragen zu beantworten. Fragen, die sie nicht beantworten habe wollen, hätte sie nicht beantwortet und zum Beispiel auf ihre Vorgesetzte verwiesen.
Die Beklagten behaupten ferner, dass der Klägerin das streitgegenständliche Plantagenprojekt bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe selbst in dem Interview gesagt, dass sie das Projekt aus einer Präsentation in Japan kenne. Auch hinsichtlich der Fragen zu Plantagen in Indonesien liege keine arglistige Täuschung vor. Denn Herr B sei zum damaligen Zeitpunkt von der Richtigkeit der Angaben ausgegangen. Zudem bestreiten die Beklagten die Krankheit der Klägerin mit Nichtwissen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 823, 1004 BGB (analog) i.V. mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. §§ 22, 23 KUG.
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (BGH, ZUM 2007, 651; BGH, ZUM 2010, 701; ZUM 2011, 161), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfGE 120, 180, 201) als auch mit der Rechtsprechung des EGMR im Einklang steht (vgl. EGMR, ZUM 2004, 651 und NJW 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Die für § 22 S. 1 KUG geltenden Grundsätze können entsprechend auch auf Interviews angewendet werden (LG Köln, ZUM-RD 2010, 560; von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kapitel 7, Rn. 86).
1. Die Aufnahme der Klägerin einschließlich ihrer Äußerungen in dem Interview und damit auch deren Ausstrahlung sind von einer Einwilligung der Klägerin gedeckt, § 22 S. 1 KUG.
Die Einwilligung ist grundsätzlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.
Der Umfang der Einwilligung hängt nach § 133 BGB vom wirklichen Willen ab, der anhand der Erklärung und der Umstände zu erforschen ist. Ebenso wie bei der Frage, ob eine Einwilligung erteilt wurde, ist auch bezüglich des Umfangs der erteilten Einwilligung auf die Sicht des Erklärungsempfängers abzustellen. Die Reichweite einer solchen Einwilligung ist durch Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Sie hängt wesentlich von der Art der Veröffentlichung ab, die den unmittelbaren Anstoß für ihre Erteilung gegeben hat (von Strobl-Albeg, a.a.O., Rn. 77) und ist grundsätzlich eng auszulegen entsprechend der konkreten Zweckbestimmung (vgl. OLG Hamburg, NJW 1996, 1151). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin bekannt war und sie einwilligte, dass Herr B mit ihr ein Interview für einen Fernsehbeitrag drehte.
Selbst wenn man der Einwendung der Klägerin folgen würde, dass sich ihre Einwilligung nur auf Themen beschränkt habe, die ihren Vortrag betrafen, läge eine Einwilligung i.S.d. § 22 S. 1 KUG vor.
Denn der streitgegenständliche Dialog beschäftigt sich mit Fragen, die dem Grunde nach Thema des Vortrags der Klägerin waren. Die Fragen drehen sich um die Urwald- bzw. Umweltzerstörung und die hieraus folgende Vertreibung der Orang-Utans aufgrund der Palmölindustrie in S, Indonesien. In dem Vortrag der Klägerin geht es jedoch auch um einen sogenannten "Round Table on sustainable Palm Oil (RSPO)" und die Problematik "How to stop Land Use Change" mit der Abbildung eines Fotos von S, Indonesien als Beispiel. Demzufolge hatten die von Herrn B gestellten Fragen zu einer bestimmten Palmölplantage auf S einen konkreten Bezug zum Vortrag der Klägerin.
Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, dass die von Herrn B gestellten Fragen keinen konkreten Bezug zu den Thema des Vortrags der Klägerin hätten, läge dennoch eine Einwilligung der Klägerin i.S.d. § 22 S. 1 KUG vor. Denn Herr B erklärte zwar zu Beginn des Interviews, er wolle "ein paar Fragen" zu dem Vortrag der Klägerin stellen, verallgemeinerte jedoch kurze Zeit später - und noch vor Beginn des eigentlichen Interviews - die Thematik insoweit, als er auf eine entsprechende Frage der Klägerin ausführte, es gehe um das Thema Biokraftstoffe, Bioenergie und die damit zusammenhängende Naturzerstörung. Demzufolge war der Klägerin bekannt, dass nicht nur konkrete Nachfragen zu ihrem Vortrag, sondern auch allgemeine Fragen zu den vorgenannten Themen folgen würden.
Aber auch dann, wenn man davon ausginge, dass die Fragen des Herrn B keinen konkreten Bezug zu dem Thema des Vortrags hätten und dass die von Herrn B vorgenommene Verallgemeinerung des Themas des Interviews nicht erfolgt sei, läge eine Einwilligung i.S.d. § 22 S. 1 KUG vor. Denn die Klägerin ging inhaltlich auf die Fragen des Herrn B ein und beantwortete sie unbeanstandet nach ihrem Kenntnisstand, ohne einzelne Fragen zurückzuweisen, das Interview abzubrechen oder einen Autorisierungsvorbehalt zu vereinbaren. Hierin ist eine konkludente Einwilligung i.S.d. § 22 S. 1 KUG in die Veröffentlichung zu sehen.
Es handelt sich bei der Klägerin - schon aufgrund des Auftretens auf der "Welt-Bioethanol-Konferenz" für den A auch nicht um eine unerfahrene Rednerin, welche besonders schutzwürdig wäre, weil sie von einem Kamerateam überrumpelt worden wäre. Die Klägerin hat sich mit Herrn B an einen Tisch gesetzt und sämtliche Fragen beantwortet, die sie beantworten wollte. Sie hätte jederzeit das Interview abbrechen können und/oder einzelne Fragen nicht beantworten können. Sofern sie vorträgt, sich lediglich aus Höflichkeit bemüht zu haben, Antworten zu finden, obwohl sie eigentlich nicht damit einverstanden gewesen sei, derart überrumpelt worden zu sein und in die Ecke gedrängt zu werden, vermag dies weder der Wortlaut des Interviews noch die Inaugenscheinnahme des Videos zu bestätigen. Es ist zwar erkennbar, dass der Klägerin die Fragen im Verlaufe des Interviews unangenehm werden. Wer jedoch als A-Mitarbeiterin und Expertin für das von ihr vorgetragene Thema an der "Welt-Bioethanol-Konferenz" teilnimmt, muss mit kritischen Fragen zu diesem sich in der Diskussion befindlichen Thema rechnen.
2. Die Einwilligung der Klägerin ist nicht gemäß den §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung nichtig.
Es kann dahinstehen, ob die Äußerung der Klägerin in einem Interview, dass es ihr jetzt am liebsten wäre, dass das gesamte Material des Interviews veröffentlicht werden würde, eine Bestätigung der Einwilligung i.S.d. § 144 Abs. 1 BGB darstellt.
Es kann ferner dahinstehen, ob man eine Einwilligung i.S.d. § 22 S. 1 KUG als rechtsgeschäftliche Erklärung ansieht oder ob man angesichts der Kommerzialisierung des Rechts am eigenen Bild auf sie die rechtsgeschäftlichen Regeln insoweit zumindest analog anwendet (Dreier/Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Auflage 2013, § 22 KUG, Rn. 34).
Denn die Voraussetzungen der §§ 119 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
a. Eine Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB scheidet bereits aufgrund des Verstreichenlassens der Frist des § 121 Abs. 1 S. 1BGB aus. Die Anfechtung erfolgte nicht unverzüglich i.S.d. § 121 Abs. 1 S. 1BGB, da sie erst mit dem Schreiben vom 14.6.2011 erklärt wurde, obschon das Interview bereits am 4.11.2010 stattgefunden hatte.
b. Auch eine Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB scheidet aus.
Sofern die Klägerin der Meinung ist, dass Herr B sie dadurch arglistig getäuscht habe, dass er ihr trotz vorheriger Ankündigung nicht nur Fragen zu ihrem Vortragsthema gestellt habe, kann dem aus den unter Ziffer 1. genannten Gründen nicht gefolgt werden.
Sofern die Klägerin der Meinung ist, eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB sei berechtigt, weil Herr B sie niemals über den Inhalt seines tatsächlich geplanten Beitrags in Kenntnis gesetzt habe, scheidet eine Anfechtung aus, da der Klägerin die grundsätzliche Thematik des Interviews und damit auch die Thematik des Teils des Beitrags bekannt war, in dessen Zusammenhang ihr Interview gesendet werden sollte, sie sämtliche Fragen unbeanstandet beantwortete und keinen Autorisierungsvorbehalt vereinbarte. Etwas anderes könnte allein dann gelten, wenn die streitgegenständlichen Passagen in einem sinnentfremdenden oder sinnentstellenden Zusammenhang gesendet worden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Klägerin wurden u.a. Fragen zu einer Palmölplantage auf S gestellt, die sie laut eigener Aussage im Interview kannte, und das Interview wird in eben diesem Zusammenhang gezeigt.
Sofern die Klägerin der Meinung ist, sie sei dadurch arglistig getäuscht worden, dass die Angaben zu der Plantage in Indonesien, zu der sie befragt wurde, unwahr gewesen seien, rechtfertigt auch dies keine Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB.
Denn es fehlt insoweit an dem entsprechenden Vorsatz des Herrn B.
Eine Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB liegt nur dann vor, wenn der Täuschende durch sein Verhalten beim Erklärungsgegner vorsätzlich einen Irrtum erwecken oder aufrechterhalten möchte. Dies setzt voraus, dass der Täuschende die Unrichtigkeit der falschen Angaben kennt und zugleich das Bewusstsein und den Willen hat, durch die irreführenden Angaben (oder die Unterlassung der gebotenen Aufklärung über die wahre Sachlage) einen Irrtum zu erregen (oder aufrecht zu erhalten) und den Getäuschten damit zu einer Willenserklärung zu motivieren, die jener sonst nicht oder mit anderem Inhalt abgegeben hätte. Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Bei bloßer Fahrlässigkeit, selbst bei gröbster Fahrlässigkeit des den Irrtum Erregenden, ist eine Anfechtung wegen Täuschung ausgeschlossen (vgl. Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 123 BGB, Rn. 13 ff.).
Die Beklagten tragen insofern vor, dass Herr B die vermeintliche Unwahrheit seiner Angaben zu der Plantage zum Zeitpunkt des Interviews nicht gekannt habe. Die Klägerin bestreitet dies lediglich, ohne - trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer - Beweis anzutreten, obschon ihr die Beweislast obliegt (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 83).
Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn es fehlt an der Kausalität der vermeintlichen Täuschung für die Abgabe der Einwilligung.
§ 123 Abs. 1 BGB setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Täuschung und der irrtumsbehafteten Willenserklärung voraus; und zwar i.S. einer Doppelkausalität: Der Getäuschte muss durch die Täuschungshandlung in einen Irrtum versetzt und damit wiederum zur Abgabe der Willenserklärung "bestimmt" worden sein. Die Täuschung muss also conditio sine qua non für die Abgabe der Willenserklärung überhaupt oder für einen bestimmten Inhalt dieser Willenserklärung gewesen sein. Dies setzt u.a. voraus, dass die Täuschung der Abgabe der Willenserklärung zeitlich vorangeht (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 20). Hier erfolgte die Einwilligung in die Veröffentlichung des Interviews mangels Autorisierungsvorbehalts vor dessen Beginn und damit vor einer vermeintlichen Täuschung über die Daten bezüglich der Palmölplantage auf S.3.
Die Klägerin konnte ihre Einwilligung gemäß § 22 S. 1 KUG auch nicht widerrufen.
Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Einwilligung nach § 22 KUG widerrufen werden kann, ist umstritten und hängt unter anderem vom Rechtscharakter der Einwilligung ab. Nach wohl herrschender Meinung ist die Einwilligung eine rechtsgeschäftliche bzw. rechtsgeschäftsähnliche Erklärung (OLG München, ZUM 2001, 708; NJW-RR 1990, 999; von Strobl/Albeg, a.a.O., Rn. 59). Demgegenüber sieht der BGH die Einwilligung als bloßen Realakt an. Allerdings sollen für die Auslegung der Erklärung die Grundsätze für rechtsgeschäftliche Erklärungen angewendet werden (BGH, NJW 1980, 1903, 1904).
Im Hinblick auf die Meinungen zum unterschiedlichen Rechtscharakter des Widerrufs gibt es auch unterschiedliche Ansichten zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einwilligung widerrufen werden kann.
Teilweise (OLG München, AfP 1989, 570, 571) wird ein wichtiger Grund für den Widerruf verlangt, da derjenige, der eine Einwilligung erteilt habe, an den Inhalt seiner Erklärung gebunden sei.
Teilweise wird vertreten, dass sich die innere Einstellung des Betroffenen geändert haben muss (Frömming/Peters, NJW 1996, 958). Ein Widerruf könne nur dann erfolgen, wenn die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts dies gebiete; dies könne dann der Fall sein, wenn veränderte Umstände vorlägen, die auf einer gewandelten inneren Einstellung basieren, sodass es dem Betroffenen nicht mehr zumutbar sei, an der einmal gegebenen Einwilligung noch festgehalten zu werden (vgl. von Strobl-Albeg, a.a.O., Rn. 84 ff.).
Teilweise wird die Einwilligung mit Ausnahme des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB für unwiderruflich halten, sofern nicht - entsprechend dem Gedanken der §§ 42 UrhG, 35 VerlG und 122 BGB - unter persönlichkeitsrechtlichem Gesichtspunkt bei einem Persönlichkeitswandel ausnahmsweise ein Widerruf in Betracht komme oder die Interessenabwägung sonst eindeutig zugunsten des Abgebildeten ausfalle (Dreier, Kommentar zum UrhG, 3. Auflage 2008, § 22 KUG, Rn. 35). Denn die Persönlichkeit befinde sich in einem ständigen Entwicklungsprozess ("Persönlichkeitsentfaltung"). Im Laufe eines Lebens könnten sich selbst fundamentale Überzeugungen grundsätzlich wandeln. Der Wandel müsse aber nachhaltig, dauerhaft und erkennbar sein. Ein wichtiger Grund könne daher zum Beispiel in dem grundlegenden Wandel der inneren Einstellung liegen (Engels in: Beck'scher Online-Kommentar Urheberrecht; Hrsg: Ahlberg/ Götting, Stand: 01.03.2013, § 22 KUG, Rn. 46). Ein wichtiger Grund könne auch dann vorliegen, wenn die Weiterverwertung von Filmaufnahmen in Folge einer Wandlung der Persönlichkeit verletzend wäre, insbesondere weil die Ausstrahlung der Sendung zu erheblichen physischen oder psychischen Belastungen führen würde (LG Bielefeld, NJW-RR 2008, 715 (717) - Die Super Nanny).
Kein wichtiger Grund liegt jedoch vor, wenn jemand ein Interview für misslungen hält oder ihm in einem Interview andere Fragen gestellt werden, als zunächst angekündigt. Schutz vor nachträglichen "Überraschungen" bietet insoweit nur die vorherige Vereinbarung eines Autorisierungsvorbehalts (Fricke in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 22 KUG, Rn. 20).
Eine Entscheidung, welcher der vorgenannten Meinungen zu folgen ist, kann dahinstehen, da nach keiner der vertretenen Ansichten der Widerruf gerechtfertigt ist.
Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB liegen erkennbar nicht vor.
Die unter Ziffer 2. abgehandelten Gründe stellen aufgrund der dortigen Ausführungen keinen Widerrufsgrund dar.
Der Widerrufsgrund der Änderung der inneren Einstellung des Betroffenen zu dem Interview scheidet bereits mangels Vortrags zum Vorliegen einer solchen aus. Auch eine Wandlung der Persönlichkeit der Klägerin ist nicht vorgetragen oder erkennbar.
Sofern die Klägerin der Meinung ist, dass ein wichtiger Grund für einen Widerruf der Einwilligung vorliege bzw. dass eine Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausgehen müsse, weil es aufgrund der Ausstrahlung des Interviews auf verschiedenen Internetplattformen zu Kommentaren Dritter gekommen sei, die dazu zugeführt hätten, dass sie sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen, kann dem nicht gefolgt werden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Weiterverbreitung des Interviews und der dabei gefertigten Filmaufnahmen grundsätzlich keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin darstellt, weil die Filmaufnahmen von den Beklagten nur im Zusammenhang mit den Themen des Interviews verwendet werden.
Etwas anderes würde allein dann gelten, wenn die Ausstrahlung der Sendung zu erheblichen physischen oder psychischen Belastungen führen würde. Hierzu fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Das vorgelegte ärztliche Attest vom 29.3.2012 bescheinigt eine akute und schwere fachspezifische Gesundheitsstörung. Es wird nicht erklärt, um welche Krankheit es sich genau handelt, welche Symptome vorliegen und inwieweit Alltags- und Berufsleben beeinträchtigt sind. Auch ist der Grund für die Gesundheitsstörung aus dem Attest nicht ersichtlich. Es wird lediglich von einem "akuten traumatisierenden Ereignis" gesprochen. Welches Ereignis dies sein soll, ergibt sich aus dem Attest nicht. Insoweit kann auch eine Kausalität zwischen den Äußerungen, die im Internet getätigt wurden und weitgehend - sofern Daten genannt werden - aus dem Juni bis August 2011 stammen, und der Krankheit aufgrund des Attests vom 29.3.2012 nicht festgestellt werden, zumal die Klägerin laut eigener Aussage in dem Interview vom 4.11.2010 bereits zum damaligen Zeitpunkt "Anfeindungen von allen Richtungen" ausgesetzt war. Hinzu kommt, dass die Klägerin trotz ihrer Krankheit, welche ihre Ursache in den Reaktionen auf das Interview haben soll, noch am 24.5.2012 auf der Internetseite www.anonym.de ein Interview veröffentlichen lässt, in dem es um dieses Interview und ihre Sicht der Dinge geht.
Sofern der eigentliche Grund des erklärten Widerrufs sein sollte, dass die Klägerin mit dem Inhalt des Fernsehberichts oder ihrer Darstellung nicht einverstanden ist - und so klingt es in dem Interview an, wenn es dort heißt: "Es (das Interview) war von mir gut gemeint, aber schlecht gemacht." -, rechtfertigt dies nicht den Widerruf der Einwilligung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, ZUM-RD 2010, 657), des Bundesgerichtshofs (BGH, ZUM 2011, 164) hat niemand einen Anspruch darauf, von anderen so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 60.000,- Euro
Quelle: openJur 2013, 43229
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