Wenn ein Instagram-Konto ohne Anhörung und Möglichkeit zur Stellungnahme deaktiviert wird, verstößt dies gegen die geltenden Nutzungsbestimmungen. Normalerweise ist Meta -der "Eigentümer"
von Instagram- nämlich verpflichtet, vorher eine Anhörung und in manchen Fällen erst nach der Sperrung durchzuführen. In der Praxis wird dies jedoch oft nicht umgesetzt. Selbst in
den Nutzungsbedingungen ist dies nicht klar geregelt. Gegen derartige unberechtigte Sperrungen können rechtliche Schritte eingeleitet werden. Neben der Freischaltung des deaktivierten Accounts
kann auch eine Unterlassung verlangt werden, um in Zukunft eine erneute Sperrung ohne Anhörung zu verhindern. Das AG Bonn stellte in diesem Zuge fest, dass die Sperrvorbehalte in den
Nutzungsbedingungen ud damit die gängige Praxis auf Instagram unwirksam sind (siehe AG Bonn, Urteil vom 16.05.2023 - 116 C 115/22).
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Zum Sachverhalt: Mandant wurde gesperrt!
Unser Mandant ist bereits lange auf Instagram. Seinen Account nutzt er auch, um als Künstler seine Kunstwerke zu präsentieren. Von jetzt auf gleich wurde unser Mandant einfach auf Instagram gesperrt. Er konnte sich nicht mehr bei Instagram anmelden und sein Account war für andere nicht mehr sichtbar.
Im Zuge der Sperre hat Instagram behauptet, dass unser Mandant gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen habe. Er konnte zwar eine "Überprüfung beantragen", jedoch ließ Instagram das genaue Problem offen. Eine Möglichkeit, zur Accountsperre Stellung zu beziehen, wurde unserem Mandanten nicht gewährt. Unser Mandant wusste folglich nicht, weshalb sein Instagram-Konto gesperrt wurde.
Vielmehr erhielt er in der Folgezeit eine E-Mail, in der er aufgefordert wurde, einen übermittelten Code auf ein Blatt Papier zu schreiben und davon zusammen mit seinem Gesicht ein Selfie zu machen, um es an die E-Mail-Adresse "@support.facebook.com" zu schicken.
"Bitte antworte auf diese E-Mail und füge ein Foto von dir bei, auf dem du ein Blatt Papier mit dem handschriftlich vermerkten, nachfolgenden Code hältst.
[..]
Bitte achte darauf, dass das Foto, das du schickst, folgende Kriterien erfüllt:
- Zeigt den oben genannten, handschriftlich vermerkten Code auf einem sauberen Blatt Papier, gefolgt von deinem vollständigen Namen und Benutzernamen
- Zeigt beide deine Hände beim Halten des Blatts Papier sowie dein ganzes Gesicht
- Ist gut ausgelichtet und nicht zu klein, dunkel oder verschwommen
- Ist als JPEG-Datei an deine Antwort-E-Mail angefügt"
Unser Mandant hat kurz vor der Sperre seinen Instagram-Feed durchgesehen und "Likes" verteilt. Es liegt die Vermutung nahe, dass der Algorithmus, der auf Instagram die Sperren automatisiert vollzieht, "dachte", unser Mandant sei ein "Bot" oder es handle sich um Spam.
Jedenfalls passierte in der Folgezeit nichts und das Konto blieb deaktiviert. Aus diesem Grund beauftragte unser Mandant uns. Wir forderten Meta zur Freischaltung des Kontos auf. In der Tat wurde das Konto dann auch freigeschaltet.
Allerdings war Meta nicht bereit, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, damit sich eine solche unberechtigte Sperre nicht wiederholt. Unserem Mandanten war es nämlich wichtig, dass er in Zukunft nicht nich einmal ohne Grund von jetzt auf gleich gesperrt wird. Wir empfahlen unserem Mandanten daraufhin, den Unterlassungsanspruch bei Gericht einzuklagen.
AG Bonn: Die Instagram-Nutzungsbedingungen, die Kontosperren regeln, sind unwirksam! Aufgrund unwirksamer Regelungen durfte Meta den Instagram-Account nicht sperren!
Das Gericht folgte unserer Auffassung, sehr zur Freude unseres Mandanten. Demnach stellte es fest, dass die Instagram-Nutzungsbedingungen unwirksam sind. Aufgrund der unwirksamen Bedingungen darf jedoch keine Sperrung erfolgen. Dies führt nicht nur dazu, dass eine solche Sperre rechtswidrig ist, sondern auch dazu, dass Meta das Konto nicht erneut ohne Anhörung sperren darf. Damit verringert sich natürlich die Gefahr erheblich, dass unser Mandant in Zukunft einer unberechtigten Sperre ausgesetzt wird.
"Eine vertragliche Berechtigung zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers lag am 23.09.2021 nicht vor. Die Beklagte war nicht gemäß ihrer der Nutzungsbedingungen in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geltenden Fassung zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers berechtigt. Der dort unter dem Gliederungspunkt „Entfernung von Inhalten und Deaktivierung oder Sperrung deines Kontos“ unter Punkt 1 vorgesehene Sperrungsvorbehalt war gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
[...]
Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar wie möglich (und nötig) zu formulieren und durchschaubar darzustellen; eine Einzelausprägung ist das Gebot hinreichender Konkretisierung der Rechte und Pflichten, die sich für die Vertragsparteien aus der Klauselgestaltung ergeben.
[...]
Gemessen hieran ist die von der Beklagten formulierte Ausnahmeregelung intransparent und daher unwirksam. Für den Nutzer des von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerks ist kaum ersichtlich, in welchen Fällen eine Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre. Der Beklagten wäre aus auch möglich gewesen, die Klausel enger zu fassen. Das folgt nicht zuletzt aus den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Betreibern eines sozialen Netzwerks formuliert hat. Die nach den in der Entscheidung vom 29.7.2021 formulierten Grundsätzen erforderliche Anhörung des Nutzers ist vor einer von dem Betreiber geplanten Sperrung des Nutzerkontos durchzuführen, „von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen“. Der Bundesgerichtshof ging offenbar davon aus, Ausnahmefälle von dem Anhörungserfordernis könnten und müssten näher präzisiert werden, um die Beklagte wirksam von ihren Verfahrensobliegenheiten zu befreien. In den Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 26.7.2022 nennt die Beklagte allerdings weder konkrete Ausnahmetatbestände noch Regelbeispiele für Fälle, in denen eine Anhörung entbehrlich sein soll. Die vom Bundesgerichtshof geforderte nähere Bestimmung von Ausnahmefällen erfolgt nicht."
- zit. AG Bonn, Urteil vom 16.05.2023 - 116 C 115/22
Die Entscheidung des AG Bonn (Urteil vom 16.05.2023 - 116 C 115/22) gibt es hier:
(Anmerkung: Diese Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig.)
Tenor:
Das Versäumnisurteil vom 07.06.2022 wird teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, das Instagram-Profil des Klägers mit dem aktuellen Nutzernamen „XXX“ (aktuelle URL: https://www.instagram.com/XXX/) zu sperren, ohne den Kläger über die Sperrung unverzüglich zu informieren, und ohne ihm unverzüglich die Gelegenheit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profil des Klägers durch die Beklagte zum 23.09.2021 wegen Spamverdachts geschehen.
Die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von XXX € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 27.04.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Erzwingung der Unterlassung wird der Beklagten angedroht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, sowie ersatzweise Ordnungshaft für den Fall, dass dieses Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, bei mehreren oder wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren.
Der Kläger trägt die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind. Die weiteren Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Unterlassung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von XX Euro. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk „Instagram“. Der Kläger nutzte dieses Konto zu privaten, nicht gewerblichen Zwecken am 23.9.2021 unter dem Nutzernamen „XXX“.
Am 23.9.2021 oder 24.9.2021 – der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig – sperrte die Beklagte ohne vorherige Anhörung und ohne Angabe von Gründen das Nutzerkonto des Klägers, so dass er sich mit seinen Anmeldedaten nicht mehr in den Account einwählen konnte und das Konto auch für andere Nutzer nicht mehr auffindbar war. Grundlage der Sperrung war die Vermutung einer missbräuchliche Nutzung in Form des Verbreitens von Spam (womit das wiederholte Posten derselben Kommentare oder Inhalte in schneller zeitlicher Abfolge mit dem Ziel künstlich „Gefällt mir“-Angaben, Abonnenten oder geteilte Inhalte zu sammeln gemeint ist).
Nach erneuter Prüfung durch die Beklagte konnte ein Verstoß des Klägers gegen die vertraglich vereinbarten Nutzungsbedingungen nicht festgestellt werden. Der Kläger wandte sich unter Nutzung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Widerrufsformulars und per Email an die Beklagte und bat um Mitteilung der Gründe für das Vorgehen der Beklagten und um Freischaltung des Accounts binnen drei Tagen. Nachdem die Beklagte diesen Aufforderungen nicht nachkam, forderte der Kläger in anwaltlicher Vertretung am 30.9.2021 die Beklagte erneut zur unverzüglichen Freischaltung spätestens bis zum 4. Oktober 2021 sowie zur Unterlassung künftiger Sperrungen oder Deaktivierungen ohne vorherige Anhörung und zur Mitteilung der Gründe der Sperrung und Deaktivierung und ausbleibenden Wiederherstellung des Kontos. Im Oktober 2021 erfolgte eine Freischaltung des Nutzerkontos des Klägers, der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte änderte die für die Nutzung des sozialen Netzwerks geltenden und zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen mit Wirkung zum 26. Juli 2022, hinsichtlich der vorherigen Fassung und der Neufassung wird auf die Anlage B1 (Blatt 161 ff. d.A.) sowie die Anlage B3-neu (Blatt 274 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte nach §§ 1004, 280 Abs.1, 249 BGB sowie § 1004 Abs.1, 823 Abs.1 GG i.V.m. Art. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG und Art. 5 Abs.1 GG ein Anspruch auf Unterlassung zu, dass die Beklagte das streitgegenständliche Profil in Zukunft nicht ohne vorherige Stellungnahme bzw. Anhörung sperrt.
Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, das Instagram-Profil des Klägers mit dem Nutzernamen „XXX“ (URL: https: https://www.instagram.com/XXX/) zu sperren, ohne den Kläger über die beabsichtigte Sperrung vorab zu informieren und ohne vorab den Grund dafür mitzuteilen, weswegen eine Sperre eingerichtet werden soll bzw. ohne vorab die Möglichkeit zur Gegenäußerung, an die sich eine Neubescheidung anschließt, einzuräumen, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profils des Klägers durch die Beklagte z.B. zum 15.11.2021 geschehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von XXX € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, ist auf dieser Grundlage gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen, das dem Kläger am 10.6.2022 und der Beklagten am 20.6.2022 zugestellt worden ist.
Hiergegen hat die Beklagte mit einem am 04.07.2022 bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt und diesen begründet.
Der Kläger hat zwischenzeitlich unter Fortbestand seines Nutzerkontos seinen Nutzernamen zu „XXX“ geändert. Weiterhin hat der Klägervertreter im ursprünglich angekündigten Klageantrag statt wie beabsichtigt den 23.9.2021 den 15.11.2021 als Datum der erfolgten Sperre des Nutzerkontos des Klägers angegeben.
Der Kläger beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 07.06.2022 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass
1. die Beklagte verurteilt wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, das Instagram-Profil des Klägers mit dem aktuellen Nutzernamen „XXX“ (aktuelle URL: https://www.instagram.com/XXX/) zu sperren, ohne den Kläger über die Sperrung unverzüglich zu informieren, und ohne ihm unverzüglich die Gelegenheit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profil des Klägers durch die Beklagte zum 23.09.2021 geschehen
2. die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 973,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt der Kläger,
das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 07.06.2022 mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Beklagte verurteilt wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, das Instagram-Profil des Klägers mit dem aktuellen Nutzernamen „XXX“ (aktuelle URL: https://www.instagram.com/XXX/) zu sperren, ohne den Kläger über die Sperrung unverzüglich zu informieren, und ohne ihm unverzüglich die Gelegenheit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profil des Klägers durch die Beklagte zum 23.09.2021 wegen Spamverdachts geschehen.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der ursprüngliche Klageantrag sei bereits deshalb unbegründet gewesen, weil der Kläger seinen Nutzernamen zwischenzeitlich geändert habe, der Antrag gehe deshalb ins Leere.
Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, dass eine Sperrung nicht immer zwingend eine vorherige Anhörung voraussetze. Vielmehr habe der BGH ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte – etwa im Falle von strafrechtlich relevanten oder sonst gegen allgemeine Gesetze verstoßenden Beiträgen – zur sofortigen Ergreifung von Maßnahmen berechtigt bzw. verpflichtet sei. Auch ansonsten erkenne der BGH ausdrücklich Fälle an, in denen nicht vorab angehört werden müsse. Soweit sich der Antrag – was auf Basis der Antragsfassung („Sperre“) denkbar ist, auch auf dauerhafte Deaktivierungen des Nutzerkontos im Sinne einer Vertragskündigung beziehen sollte, sei dies durch die BGH Rechtsprechung von vorneherein nicht erfasst. Der pauschale Unterlassungsantrag des Klägers könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beklagten durch den Antrag auch eindeutig zulässiges Verhalten verboten würde.
Der Klageantrag sei zu pauschal, insoweit fehle dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis. Der Unterlassungsantrag gebe lediglich die Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen für die Vornahme einer Sperre wieder. Zudem ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auch bereits aus den (geäderten) Nutzungsbedingungen der Beklagten, in denen es heißt: „In diesem Fall werden wir dich vorab über den Grund sowie die Art und den Umfang solcher beabsichtigten Einschränkungen informieren und dir die Möglichkeit geben, dazu Stellung zu nehmen. Danach werden wir dir mitteilen, ob wir die beabsichtigten Einschränkungen einhalten werden oder nicht“ (Bl. 350 d.A.).
Zudem berücksichtige der weitgehaltene Antrag des Klägers nicht, dass der BGH anerkannt habe, dass es Situationen geben könne, in welchen gerade keine vorherige Anhörung vor Verhängung einer Nutzungsbeschränkung erforderlich sei.
Des Weiteren seien der Haupt- und Hilfsantrag auch deshalb zu unbestimmt, da es weiterhin unklar sei, was mit „sperren“ gemeint ist, da der Begriff „sperren“ begrifflich sowohl Nutzungsbeschränkungen (z.B. auf einen Read-Only-Zugriff für einen bestimmten Zeitraum) als auch die vollständige Aufhebung der Nutzbarkeit des Accounts im Sinne einer Deaktivierung (ggf. auch im Wege einer außerordentlichen Kündigung) umfassen könne. Es sei insoweit nicht klar, ob sich der Kläger mit seinem Antrag lediglich auf eine von beiden Kategorien oder auf beide Fälle beziehen wolle.
Der Kläger hat mit Klageschrift vom 22.11.2021 Klage vor dem Landgericht Bonn erhoben. Sie wurde der Beklagten am 26.04.2022 zugestellt. Nach Hinweis des Landgerichts vom 20.01.2022 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.03.2022 Verweisung an das zuständige Gericht beantragt. Das Landgericht hat sich durch Beschluss vom 31.03.2022 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bonn verwiesen (Blatt 94 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in Bezug auf den Hilfsantrag begründet, im Übrigen unbegründet.
I.
Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 07.06.2022 ist der Prozess in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden (§ 342 ZPO). Der Einspruch ist zulässig; er ist statthaft sowie form- und fristgemäß im Sinne der § 338 ff. ZPO eingelegt worden.
II.
Die Klage ist zulässig.
1. Der Klageantrag entsprechend ist im Hinblick auf den Begriff „sperren“ auslegungsbedürftig. Die Auslegung hat insoweit nicht allein anhand des Klageantrags, sondern unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers zu erfolgen (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. Stand: 1.9.2022, § 253 Rn. 63.1). Dies berücksichtigend ist eindeutig, dass der Kläger mit Sperrung die Verhinderung des Zugriffs auf das Nutzungskonto unter Fortführung des Nutzungsvertrags meint, nicht hingegen den Fall der Kontodeaktivierung im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung des Nutzungsvertrags durch die Beklagte (siehe die Ausführungen auf Blatt 196 d.A.; vgl. zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs „sperren“ insoweit auch OLG München, Urt. v. 20.9.2022 – 10 U 6314/20 Pre, GRUR-RS 2022, 29943, Rn. 15).
Anträge sind im Lichte der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG so auszulegen, dass den erkennbaren Interessen und dem verfolgten Rechtsschutzziel des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (BVerfG, Beschl. v. 18.8.2021 – 2 BvR 2181/20, BeckRS 2021, 25339, Rn. 21). Bei der Auslegung gem. § 133, 157 BGB ist daher nicht nur der Wortlaut des Antrags zu beachten, sondern auch die Antragsbegründung (BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, BeckRS 2017, 135587, Rn. 16; Musielak/Voit/Musielak, 19. Aufl. 2022, § 308 ZPO Rn. 3). Aus der ursprünglichen Antragsbegründung war bereits eindeutig ersichtlich, dass der Kläger sich in seinem Antrag auf das Verhalten der Beklagten am 23.09.2021 bzw. 24.09.2021 bezog, es handelte sich bei der Angabe des 15.11.2021 um einen offensichtlichen Schreibfehler. Die Auslegung ergab mithin bereits ursprünglich, dass sinngemäß eine zünftige Sperrung ohne Anhörung, Information und Möglichkeit der Gegendarstellung wie mit Einrichtung der Sperre des Profils des Klägers durch die Beklagte zum 23.09.2022 bzw. 24.09.2022 geschehen, untersagt werden sollte.
2. Die von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urt. v. 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426) internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist zu bejahen. Dies folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012. Danach kann der Kläger, der die Plattform der Beklagten unstreitig nicht beruflich oder gewerblich nutzt, als Verbraucher gegen die Beklagte, die ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet hat, wobei die streitgegenständlichen Ansprüche aus einem Vertrag zwischen den Parteien resultieren, die in den Bereich dieser gewerblichen Tätigkeit fallen, vor dem Gericht seines Wohnsitzes in Bonn erheben.
3. Das Amtsgericht Bonn ist weiterhin gem. § 23 Nr. 1 GVG sachlich und gem. Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 örtlich zuständig.
4. Der Klageantrag zu 1) ist nach Maßgabe des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
Ein Klageantrag ist grundsätzlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urt. v. 21.3.2018 – VIII ZR 68/18, NJW 2018, 3448, Ls.). Dabei darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH, Urt. v. 13.1.2011 – I ZR 111/08, NJW 2011, 2211, Rn. 17 m.w.N.).
a) Eine Unzulässigkeit des Klageantrags zu 1) dürfte nicht bereits daraus folgen, dass eine Wiederholung der durch den Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 29.7.2021 (III ZR 179/20, NJW 2021, 3179) aufgestellten Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen des Betreibers eines sozialen Netzwerks erfolgt.
aa) Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, sind grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Abweichendes kann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch unschädlich, wenn sich das mit dem selbst nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen durch Auslegung unter Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage gestellt ist, sondern sich ihr Streit ausschließlich auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt (BGH, Urt. v. 28.7.2022 – I ZR 205/20, GRUR-RS 2022, 22398, Rn. 17).
bb) Vorliegend wiederholt der Kläger in seinem Klageantrag zu 1) nicht den Wortlaut eines Gesetzes. Er fasst allerdings die wesentlichen Anforderungen zusammen, die der Bundesgerichtshof an die Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen für die Nutzung von Social Media Plattformen im Hinblick auf die Möglichkeit der Sperrung von Nutzerkonten aufgestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf sich der Anbieter eines sozialen Netzwerks in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen. Dabei hat sich der Anbieter jedoch mit Ausnahme eng begrenzter und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bezeichnender Ausnahmefälle in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verpflichten, den Nutzer über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegendarstellung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Ls. 2, 3; Rn. 87).
Ob die Wiederholung derartiger durch die Rechtsprechung erarbeiteter Leitlinien im Hinblick auf die Bestimmtheit von Unterlassungsanträgen ebenso zu behandeln ist, wie die Wiederholung gesetzlicher Vorschriften, mithin in der Regel zur Unzulässigkeit des Klageantrags führt, kann dahinstehen. Selbst bei Anlegen desselben Maßstabs führt die Wiederholung vorliegend nicht zur Unzulässigkeit.
cc) Die Einordnung rein gesetzeswiederholender Anträge als unbestimmt und daher unzulässig liegt darin begründet, dass gesetzliche Vorschriften als abstrakt-generelle Normen häufig konkretisierungsbedürftige Rechtsbegriffe enthalten und die Subsumtion eines Sachverhalts unter diese Rechtsbegriffe häufig nicht offensichtlich möglich ist, sondern einer rechtlichen Bewertung bedarf. Würde ein richterlich ausgesprochenes Unterlassungsgebot in entsprechender Weise formuliert, wäre für den Beklagten ebenso wie für das Vollstreckungsgericht nicht zweifelsfrei ersichtlich, welches Verhalten untersagt ist. Weder die Entscheidungsbefugnis des Gerichts, noch das zu untersagende Verhalten wären hinreichend klar umrissen. Dieses Risiko stellt sich jedoch nicht gleichermaßen bei allen gesetzlichen oder – eine entsprechende Behandlung unterstellt – höchstrichterlichen Vorgaben. Wie der Bundesgerichtshof selbst ausführt, ist die Wiederholung unschädlich, wenn der Verbotstatbestand eindeutig und konkret gefasst ist oder aufgrund gefestigter Auslegung keine Unsicherheiten hinsichtlich seines Anwendungsbereichs bestehen (BGH, Urt. v. 28.7.2022 – I ZR 205/20, GRUR-RS 2022, 22398, Rn. 17).
(1) Eine vergleichbare Situation dürfte hier vorliegen. Bei den höchstrichterlich formulierten Anforderungen an wirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Betreibers eines Sozialen Netzwerks handelt es sich zwar für sich genommen nicht um einen Verbotstatbestand. Es ist jedoch ohne weitere Auslegung und rechtliche Bewertung möglich zu erkennen, welches Verhalten unterbunden werden soll: Eine Sperrung von Nutzerkonten ohne vorherige Anhörung soll im Grundsatz nicht möglich sein (vgl. BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Ls. 2, 3). Ein entsprechend dem Klageantrag zu 1) formuliertes Unterlassungsgebot bedürfte keiner weiteren rechtlichen, sondern lediglich einer tatsächlichen Bewertung durch das Vollstreckungsgericht dahingehend, ob eine Sperrung des Nutzerkontos des Klägers erfolgt ist und ob der Kläger zuvor über diese Sperrung informiert wurde, ob ihm der Grund für die Sperrung mitgeteilt wurde sowie ob ihm die Möglichkeit zur Gegendarstellung, an die sich eine Neubescheidung anschließt, eingeräumt wurde.
(2) Es ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Verhalten der um eine Sperre des Nutzerkontos des Klägers ohne vorherige Anhörung handelt. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, es sei nicht erkennbar, ob auch der Fall der Kontodeaktivierung im Rahmen einer Kündigung unter den Klageantrag zu 1) falle, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist der Begriff der Sperre wie gesehen auslegungsbedürftig, allerdings auch dahingehend auslegungsfähig, dass der Kläger mit Sperrung die Verhinderung des Zugriffs auf das Nutzungskonto unter Fortführung des Nutzungsvertrags meint, nicht hingegen den Fall der Kontodeaktivierung im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung des Nutzungsvertrags durch die Beklagte (siehe die Ausführungen auf Blatt 196 d.A.; vgl. zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs „sperren“ auch OLG München, Urt. v. 20.9.2022 – 10 U 6314/20 Pre, GRUR-RS 2022, 29943, Rn. 15). Die Parteien streiten lediglich über die Zulässigkeit des entsprechenden und unstreitig erfolgten Verhaltens der Beklagten, mithin über seine rechtliche Qualifizierung. In einem solchen Fall ist die Wiederholung des Gesetzeswortlauts zulässig (BGH, Urt. v. 28.7.2022 – I ZR 205/20, GRUR-RS 2022, 22398, Rn. 17). Entsprechendes muss für die Wiederholung höchstrichterlich formulierter Anforderungen gelten.
dd) Der Kläger beschränkt sich weiterhin auch nicht auf die bloße Wiederholung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern stellt durch den Zusatz „wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profils des Klägers durch die Beklagte z.B. zum 23.09.2021 geschehen“ einen Bezug zu dem streitgegenständlichen Einzelfall her. Er bezieht sich auf eine bereits erfolgte Handlung der Beklagten. Die weitgehende Wiederholung der durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderung an die Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen eines Betreibers eines sozialen Netzwerks führt vorliegend nicht zu Unsicherheiten hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis des Gerichts und dem Ausmaß und Charakter des beantragten Untersagungsgebots und damit nicht zur Unbestimmtheit des Antrags.
b) Weiterhin dürfte der Klageantrag zu 1) nicht aufgrund einer unzulässigen Verallgemeinerung des zu untersagenden Verhaltens zu unbestimmt sein. Von einer fehlenden Bestimmtheit ist dann auszugehen, wenn der Kläger neben der konkret in Bezug genommenen Verletzungshandlung auch die Untersagung ähnlicher Verhaltensweisen beantragt (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 115/99, NJW 2001, 3710, 3711; Urt. v. 11.10.1990 – I ZR 35/89, NJW 1991, 1114, 1115). Hinreichend bestimmt und zulässig ist hingegen eine Erweiterung des Klageantrags über identische Verletzungshandlungen hinaus auf kerngleiche Handlungen (BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 115/99, NJW 2001, 3710, 3711). Dies kann insbesondere durch Verwendung der Formulierung „wie“ oder „wenn dies geschieht wie am (…)“ erfolgen (Schmitt-Gaedke/Arz, JuS 2015, 126, 128). Vorliegend beantragt der Kläger sinngemäß die Untersagung der Sperrung ohne vorherige Anhörung „wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profils des Klägers durch die Beklagte z.B. zum 23.09.2021 geschehen“. Dies entspricht im Kern den vorgenannten Formulierungen, durch die deutlich wird, dass der Klageantrag auf kerngleiche Verletzungshandlungen erweitert werden soll. Es treten – nach gebotener Auslegung des Begriffs der Sperrung wie oben geschehen – keine Ungewissheiten hinsichtlich des konkret zu untersagenden Verhaltens auf. Die Antragsfassung steht auch insoweit einer Bestimmtheit gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegen.
c) Eine fehlende Bestimmtheit des Klageantrags zu 1) dürfte auch nicht aus dem Grund anzunehmen sein, dass der Antrag möglicherweise auch erlaubte Verhaltensweisen erfasst. Hieraus würde weder eine Einschränkung ihrer Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten noch eine Verlagerung der rechtlichen Bewertung in des Vollstreckungsverfahren folgen. Vielmehr obliegt es dem erkennenden Gericht zu entscheiden, ob der Antrag zu weit gefasst ist, etwa weil er sich auch auf erlaubte Verhaltensweisen erstreckt. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Frage der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit (OLG München Urt. v. 7.5.2015 – 6 U 1211/14, BeckRS 2016, 1423; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.12.1998 – I ZR 141/96, NJW 1999, 1332, 1334; Schmitt-Gaedke/Arz, JuS 2015, 126, 128). Die Beklagte ist nicht gehindert, entsprechende Einwände im hiesigen Verfahren zu Ihrer Verteidigung vorzubringen und hierdurch möglicherweise eine (teilweise) Abweisung der Klage durch Sach-, nicht aber durch Prozessurteil herbeizuführen.
5. Der Zulässigkeit steht auch – entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht das Vorliegen eines „verdeckten Leistungsantrags“ entgegen. Die Formulierung vergleichbarer Begehren in einem Unterlassungsantrag ist üblich und in der Rechtsprechung dem Grunde nach anerkannt (siehe nur BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 100 ff.; OLG München, Urt. v. 20.9.2022 – 18 U 6314/20 Pre, GRUR-RS 2022, 29943, Ls. 1). Weiterhin ist jeder Unterlassungsantrag auf eine Leistung gerichtet (ebenso OLG München, Urt. v. 20.9.2022 – 18 U 6314/20 Pre, GRUR-RS 2022, 29943, Rn. 16).
6. § 259 ZPO ist auf den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht anzuwenden. Insoweit ist unerheblich, ob der Unterlassungsanspruch auf § 280 Abs. 1 BGB oder § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art. 5 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützt wird. Für gesetzliche Unterlassungsansprüche wird die Anwendbarkeit des § 259 ZPO verneint, da sie bereits materiell-rechtlich das Bestehen einer Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr voraussetzen, was mit der Besorgnis der Nichterfüllung nach § 259 ZPO gleichwertig ist (siehe BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. Stand 1.9.2022, § 259 ZPO Rn. 6; Musielak/Voit/Foerste, 19. Aufl. 2022, § 259 ZPO Rn. 3; Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 259 ZPO Rn. 3; Stein/Jonas/Roth, 23. Aufl. 2016, § 259 ZPOP Rn. 8). Die Voraussetzung der Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr gilt auch für einen Unterlassungsanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB (siehe BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, R. 102 f. m.w.N). Für eine Anwendung des § 259 ZPO ist daher kein Raum.
II. Begründetheit
1.Die Klage in Bezug auf den gestellten Hauptantrag zu 1) teilweise begründet, der
Hilfsantrag zu 1) ist begründet.
a) Es ist deutsches Recht anzuwenden. Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Nutzungsvertrags, bei dem es sich um einen Verbrauchervertrag i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO handelt, haben die Parteien die Geltung der von der Beklagten gestellten Nutzungsbedingungen vereinbart. Diese enthalten unter dem Stichpunkt „Handhabung von Streitfällen“ die Vorgabe, dass die Gesetze des Landes des Hauptwohnsitzes des Nutzers ohne Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Bestimmungen Anwendung finden. Damit liegt eine Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO vor. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts hätte sich darüber hinaus bereits aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO ergeben (siehe auch BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 26).
b) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB darauf, dass die Beklagte es unterlässt, das Nutzerkonto des Klägers mit dem aktuellen Nutzernamen „XXX“ wegen des nicht bestätigten Verdachts des Verbreitens von Spam zu sperren, ohne den Kläger über die beabsichtigte Sperrung vorab zu informieren und ohne vorab den Grund dafür mitzuteilen, weswegen eine Sperre eingerichtet werden soll bzw. ohne vorab die Möglichkeit zur Gegenäußerung, an die sich eine Neubescheidung anschließt, einzuräumen, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profils des Klägers durch die Beklagte zum 23.9.2021 bzw. 24.9.2021 geschehen.
Ein weitergehender, allgemeiner Anspruch auf Unterlassung entsprechender Sperren ohne vorherige Information, Begründung und Möglichkeit der Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung besteht hingegen nicht.
aa) Bei der Verletzung von Vertragspflichten kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch ergeben. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB setzt – ebenso wie ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB – eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr voraus (BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, R. 102 f. m.w.N.).
(1) Die Beklagte hat mit der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers am 23.09.2021 ihre vertraglichen Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag verletzt.
(aa) Eine vertragliche Berechtigung zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers lag am 23.09.2021 nicht vor. Die Beklagte war nicht gemäß ihrer der Nutzungsbedingungen in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geltenden Fassung zur Sperrung des Nutzerkontos des Klägers berechtigt. Der dort unter dem Gliederungspunkt „Entfernung von Inhalten und Deaktivierung oder Sperrung deines Kontos“ unter Punkt 1 vorgesehene Sperrungsvorbehalt war gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Bei den Nutzungsbedingungen der Beklagten handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag einbezogen wurden (ebenso in vergleichbarer Konstellation BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 31 ff.). Der in Punkt 1 des Gliederungspunktes „Entfernung von Inhalten und Deaktivierung oder Sperrung deines Kontos“ enthaltene Sperrungsvorbehalt hält indes einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht stand, weil ein verbindliches Verfahren zur Anhörung des betroffenen Nutzes dort nicht vorgesehen ist.
Ausweislich der bereits geschilderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Rahmen eines Sperrungsvorbehalts, den ein Betreiber eines sozialen Netzwerks in seine Nutzungsbedingungen aufnimmt, für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich, dass sich der Betreiber in den Geschäftsbedingungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest unverzüglich nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos grundsätzlich vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt (vgl. BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Ls. 2, 3). Derartige Verpflichtungen enthielten die Nutzungsbedingungen der Beklagten zum streitgegenständlichen Zeitpunkt nicht, aufgenommen wurden vergleichbare Vorgaben erst in der Neufassung der Nutzungsbedingungen vom 26.7.2022 (vgl. Anlage B1 und B3-neu).
Ungeachtet der Erfordernisse, im Einzelfall schnell entscheiden zu müssen, wie auf ein potentiell pflichtwidriges Nutzerverhalten zu reagieren ist, muss die Beklagte die Verfahrensrechte der Nutzer achten. Das gilt umso mehr, als die Kontosperrung nicht unmittelbar der Beseitigung eines aktuellen Verstoßes des Nutzers gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten dient, sondern der Sanktionierung eines Verstoßes und der Prävention im Hinblick auf künftige Verstöße. Ein Interesse der Beklagten, diese Maßnahme möglichst zügig und noch vor Anhörung des Nutzers durchführen zu können, ist in diesem Fall anders als etwa bei der Entfernung konkreter Beiträge nicht erkennbar (vgl. BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 87).
Der Sperrungsvorbehalt führte in seiner Fassung zum Zeitpunkt der erfolgten Sperre mithin zu einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers und war daher unwirksam, sodass die Beklagte ein Recht zur Sperre hieraus nicht herleiten konnte. Solange eine Änderung der Nutzungsbedingungen unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vorgenommen wurde, hatte die Beklagte die Sperrung von Nutzerkonten zu unterlassen (vgl. OLG München, Urt. v. 12.4.2022 – 18 U 6473/20 Pre, GRUR-RS 2022, 11666, Rn. 33).
(bb) Auch andere rechtliche Grundlagen für die Sperrung sind nicht ersichtlich. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte ungeachtet der Unwirksamkeit des Löschungs- und Sperrungsvorbehalts in den Nutzungsbedingungen nicht verpflichtet ist, strafbare Inhalte oder Beiträge, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter verletzen, zu dulden und insoweit auch zur Löschung von Beiträgen sowie möglicherweise auch zu Kontosperrungen berechtigt sein kann (vgl. OLG München, Urt. v. 12.4.2022 – 18 U 6437/20 Pre, GRUR-RS 2022, 11666, Rn. 32, 34). Im streitgegenständlichen Fall lag jedoch unstreitig weder ein derart gesetzes- und/oder pflichtwidriges Verhalten des Klägers vor, noch wurde er eines solchen Verhaltens durch die Beklagte verdächtigt. Vielmehr erfolgte die Sperrung aufgrund des Verdachts, der Kläger habe Spam verbreitet, d.h. durch wiederholtes Posten derselben Kommentare oder Inhalte in schneller zeitlicher Abfolge versucht, künstlich „Gefällt-mir“-Angaben, Abonnenten oder geteilte Inhalte zu sammeln. Selbst wenn sich der Verdacht der Beklagten bestätigt hätte, hätte kein Verhalten vorgelegen, das eine unmittelbare Reaktion der Beklagten durch Sperrung des Nutzerkontos zum Schutze der Rechtsordnung und/oder Dritter erfordert hätte.
Mangels Rechtsgrundlage für die Sperrung des Nutzerkontos des Klägers hat die Beklagte mithin ihre vertraglichen Pflichten verletzt.
bb) Einem Unterlassungsanspruch steht insoweit auch nicht entgegen, dass die vom Bundesgerichtshof angenommenen Informationspflichten des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegenüber dem Nutzer nicht selbständig einklagbar seien. Anders als das Kammergericht Berlin in der von der Beklagten zitierten Entscheidung vom 14.3.2022 (Az. 10 U 1075/20) meint, handelt es sich bei Anträgen wie dem vorliegenden nicht um auf Erteilung einer Information gerichtete Anträge, die nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs gemacht werden können. Denn der Kläger begehrt die Unterlassung einer erneuten Sperre, schränkt dies allerdings zulässigerweise in Übereinstimmung mit dem bereits erfolgten Vertragsverstoß dahin ein, dass er sich (nur) gegen eine erneute Sperre ohne vorherige Information, Begründung sowie Möglichkeit der Gegendarstellung wendet. Er begehrt mithin das Unterlassen der rechtswidrigen Sperre; ein isolierter Anspruch auf Erteilung einer Information wird damit nicht geltend gemacht (ebenso OLG München, Urt. v. 20.9.2022 – 18 U 6314/20 Pre, GRUR-RS 2022, 29943, Rn. 30).
cc) Aus der bereits begangenen Pflichtverletzung der Beklagten folgt zugleich eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr für Sperrungen infolge Spamverdachts ohne Einhaltung des zu beachtenden Verfahrens (BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 103).
(1) Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, mit der die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr widerlegt werden könnte, hat die Beklagte nicht abgegeben. Allein mit der erneuten Freischaltung des Nutzerkontos des Klägers ist auch keine Anerkennung der Beklagten dahingehend erfolgt, dass ihr ein Anspruch auf Sperrung des Kontos nicht zugestanden habe, zumal sie weiterhin auf ein ihr zustehendes Recht verweist (siehe etwa Beklagtenvortrag auf Blatt 145 d.A.; vgl. auch OLG München, Urt. v. 12.4.2022 – 18 U 6437/20 Pre, GRUR-RS 2022, 11666, Rn. 42).
(2) Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte zwischenzeitlich ihre Nutzungsbedingungen angepasst hat.
Die Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 26.07.2022 (Anlage B3-neu, Blatt 274 d.A.) sehen nunmehr die Möglichkeit der Verweigerung oder des Einstellens der Bereitstellung der Dienste für Fälle vor, in denen der Nutzer gegen die Nutzungsbedingungen oder Richtlinien der Beklagten verstößt, der Nutzer wiederholt die Rechte am geistigen Eigentum anderer verletzt oder die Beklagte gesetzlich dazu verpflichtet ist (siehe Anlage B3-neu, Blatt 280 d.A.). Hiermit sind die Bedingungen enger gefasst als noch in der Fassung vom 04.01.2022, nach der es bereits genügte, wenn die Beklagte der Ansicht war, es läge ein Verstoß gegen ihre Nutzungsbedingungen oder Richtlinien vor (siehe Anlage B3, Blatt 220 d.A.).
Weiterhin sehen die Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 26.07.2022 nunmehr eine vorherige Information über Grund, Art und Umfang der Nutzungseinschränkungen sowie die Möglichkeit der Stellungnahme mit anschließender Neubescheidung vor (siehe Anlage B3-neu, Blatt 280 d.A.: „In diesem Fall werden wir dich vorab über den Grund sowie die Art und den Umfang solcher beabsichtigten Einschränkungen informieren und dir die Möglichkeit geben, dazu Stellung zu nehmen. Danach werden wir dir mitteilen, ob wir die beabsichtigten Einschränkungen einhalten werden oder nicht.“). Auf diesen Grundsatz folgen jedoch weit gefasste, nicht näher präzisierte Ausnahmeregelungen. Die beschriebenen Verfahrensvorschriften gelten dann nicht, wenn ihre Einhaltung der Beklagten aus rechtlichen Gründen untersagt ist und ferner nicht, wenn und solange die Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre (Anlage B3-neu, Blatt 280 f. d.A.).
Letztgenannte Ausnahmeregelung („Dies gilt auch dann nicht, wenn und solange die Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre“) ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam. Es handelt sich auch hierbei um eine allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 BGB. An ihrer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag bestehen keine Zweifel. Die Ausnahmeregelung genügen jedoch nicht den Anforderungen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und sind daher unwirksam. Soweit die Unwirksamkeit zu einer uneingeschränkten Geltung der dargestellten Verfahrenserfordernisse vor einer Kontosperrung führt, schließt dies gleichwohl eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich einer unberechtigten Sperre ohne Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens nicht aus.
(a) Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar wie möglich (und nötig) zu formulieren und durchschaubar darzustellen; eine Einzelausprägung ist das Gebot hinreichender Konkretisierung der Rechte und Pflichten, die sich für die Vertragsparteien aus der Klauselgestaltung ergeben. Eine allzu ungenaue Klauselformulierung ließe Spielräume, die einerseits der Verwender sich in unangemessener Weise zu Nutze machen und andererseits den Vertragspartner vor der Geltendmachung (aus seiner Sicht) unsicherer Vertragsrechte abhalten könnte (BeckOK BGB/H. Schmidt, 63. Ed. Stand 1.8.2022, § 307 Rn. 45). Zugleich darf das Transparenzgebot nicht derart überspannt werden, dass Klauselverwender hierdurch überfordert werden (BGH, Urt. v. 2.2.1999 – KZR 11/97, NJW 1999, 2671, 2676). Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Dementsprechend brauchen die notwendig generalisierenden Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung anzunehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können (BGH, Urt. v. 8.10.2015 – I ZR 136/14, GRUR 2016, 606, Rn. 39).
(b) Gemessen hieran ist die von der Beklagten formulierte Ausnahmeregelung intransparent und daher unwirksam. Für den Nutzer des von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerks ist kaum ersichtlich, in welchen Fällen eine Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre. Der Beklagten wäre aus auch möglich gewesen, die Klausel enger zu fassen. Das folgt nicht zuletzt aus den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Betreibern eines sozialen Netzwerks formuliert hat. Die nach den in der Entscheidung vom 29.7.2021 formulierten Grundsätzen erforderliche Anhörung des Nutzers ist vor einer von dem Betreiber geplanten Sperrung des Nutzerkontos durchzuführen, „von eng begrenzten, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmenden Ausnahmefällen abgesehen“. Der Bundesgerichtshof ging offenbar davon aus, Ausnahmefälle von dem Anhörungserfordernis könnten und müssten näher präzisiert werden, um die Beklagte wirksam von ihren Verfahrensobliegenheiten zu befreien. In den Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 26.7.2022 nennt die Beklagte allerdings weder konkrete Ausnahmetatbestände noch Regelbeispiele für Fälle, in denen eine Anhörung entbehrlich sein soll. Die vom Bundesgerichtshof geforderte nähere Bestimmung von Ausnahmefällen erfolgt nicht.
Mangels hinreichender, zumutbarer Konkretisierung der Ausnahmeregelung ist diese mithin gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam.
(c) Die Ausnahmeregelung, nach der bei einer beabsichtigen Sperrung eine vorherige Anhörung unterbleiben kann, wenn die Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre, kann in ihrem Geltungsgehalt auch nicht derart reduziert werden, dass eine Ausnahme nur für Sachverhalte greift, welche die Beklagte in ihre Nutzungsbedingungen als Ausnahmefälle hätte aufnehmen können. Dem steht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen. Eine Lückenschließung ist nicht in der Weise erlaubt, dass der Inhalt einer unwirksamen Klausel auf den gerade noch zulässigen Umfang oder zumindest auf das angemessene Maß reduziert wird (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, § 306 BGB Rn. 18).
(d) Soweit infolge der Unwirksamkeit der Ausnahmeregelung lediglich die Verfahrensregelung, Bestand hat, steht dies der Annahme der Gefahr einer Wiederholung einer unberechtigten Sperrung ohne vorherige Information, Begründung und Möglichkeit der Stellungnahme nicht entgegen.
(aa) Die Unwirksamkeit gem. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB als Folge fehlender Transparenz beschränkt sich lediglich auf den Satz „Dies gilt auch dann nicht, wenn und solange die Benachrichtigung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien unangemessen wäre“ und sich insbesondere nicht auf die in den Nutzungsbedingungen niedergelegten Verfahrensschritte als solche (Information, Begründung, Möglichkeit der Stellungnahme mit anschließender Neubescheidung) zu beziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungenstehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193, Rn. 64). Die von der Beklagten in ihre Nutzungsbedingungen aufgenommenen Verfahrensregeln können ohne die Ausnahmeregelung für den Fall der Unangemessenheit einer vorherigen Benachrichtigung sinnvoll bestehen, ohne das Vertragsgefüge maßgeblich zu verschieben. Die Ausnahmeregelung ist hierbei auch sprachlich wie inhaltlich von den voranstehenden Verfahrensregelungen trennbar. Sie kann gestrichen werden, ohne dass Sinn oder Verständlichkeit der übrigen Klausel hierunter leiden. Die Verfahrensregelung besteht infolge der Streichung der Ausnahmeregelung fort.
(bb) Dies führt jedoch nicht dazu, dass von einer Gefahr der Wiederholung des pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten nicht auszugehen ist. Vielmehr bringt die Aufnahme der – unwirksamen – Ausnahmeregelung in die Nutzungsbedingungen zum Ausdruck, dass die Beklagte sich weiterhin vorbehält, in nicht näher präzisierten Fällen und damit möglicherweise auch in Fällen wie dem streitgegenständlichen, d.h. bei nicht bestätigtem Spamverdacht, eine Kontosperrung ohne vorherige Benachrichtigung des Klägers durchzuführen. Die durch die vorherige Vertragsverletzung indizierte Wiederholungsgefahr wird daher nicht durch die Neufassung der Nutzungsbedingungen durch die Beklagte ausgeräumt.
dd) Der Klageantrag zu 1) ist nur insoweit begründet, als er sich auf die Sperrung des Nutzerkontos des Klägers bei nicht bestätigtem Verdacht des Verbreitens von Spam ohne vorherige Information des Klägers sowie Mitteilung des Grundes für die Sperre und Möglichkeit der Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung bezieht. Ein darüberhinausgehender Anspruch auf Unterlassung jeglicher Sperrung ohne vorherige Benachrichtigung, Begründung sowie Möglichkeit der Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung besteht indes nicht.
(1) Soweit der Klageantrag zu 1) auch solche Konstellationen umfasst, in denen die Beklagte ungeachtet der Wirksamkeit ihrer Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben muss, unmittelbar Maßnahmen, einschließlich einer Kontosperrung zu ergreifen - beispielsweise zur Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten oder zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dritter vor konkret drohenden Angriffen - besteht kein vertraglicher Unterlassungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.
(2) Abweichende Maßstäbe könnten für Wiederholungsfälle gelten. Es ist denkbar, dass bei missbräuchlichem Verhalten im Wiederholungsfall u.U. auf eine erneute Anhörung des Betroffenen vor Sperrung verzichtet werden kann (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 30.6.2022 – 16 U 229/20, GRUR-RS 2022, 15047 Rn. 45). Dies kann jedoch nur in Betracht kommen, wenn die Anhörung aufgrund erfolgter und abgeschlossener Sachverhaltsaufklärung entbehrlich ist. Nicht nur die Frage des Fehlverhaltens, sondern auch die Frage, ob ein neuerlicher Sachverhalt eine Wiederholung eines vorherigen darstellt oder ihm vielmehr Besonderheiten innewohnen, führt zu einer komplexen Ausgangslage, der ein hohes Risiko von Fehlbeurteilungen innewohnt. Die Anhörung des Nutzers vor der Kontosperrung stellt insoweit ein wichtiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung dar und kann so dazu beitragen, Fehlentscheidungen zu vermeiden (vgl. mit ähnlicher Argumentation zur Beurteilung von Äußerungen BGH, Urt. v. 29.7.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179, Rn. 83, 86). Ist eine Sachverhaltsaufklärung noch gar nicht erfolgt, kann die Anhörung auch dann nicht entbehrlich sein, wenn die Vermutung besteht, dass ein Wiederholungsfall vorliegt. Daher verfängt der Einwand der Beklagten, einer Anhörung bedürfe es nicht, wenn dem Aufklärungszweck bereit auf andere Weise Rechnung getragen werde, insbesondere auch im Wiederholungsfall bei vorheriger Aufklärung des Sachverhalts (Blatt 149 d.A.) für Fälle wie dem vorliegenden, in dem eine Sperrung aufgrund nicht bestätigten Spamverdachts erfolgte, nicht.
Mithin hat der Kläger einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB darauf, dass die Beklagte es unterlässt, künftig das Nutzerkonto des Klägers mit dem Nutzernamen „XXX“ bei nicht bestätigtem Verdacht des Verbreitens von Spam (wie mit dem Hilfsantrag zu 1. beantragt) zu sperren, ohne den Kläger über die beabsichtigte Sperrung vorab zu informieren und ohne vorab den Grund dafür mitzuteilen, weswegen eine Sperre eingerichtet werden soll bzw. ohne vorab die Möglichkeit zur Gegenäußerung, an die sich eine Neubescheidung anschließt, einzuräumen, wie mit Einrichtung der Sperre des vorbezeichneten Profils des Klägers durch die Beklagte zum 23.9.2021 geschehen.
3. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 220,27 Euro haben.
a) Der Anspruch ergibt sich aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten. Denn eine Person darf sich regelmäßig anwaltlicher Hilfe bedienen, wenn eine andere ihr gegenüber bestehende rechtliche Pflichten verletzt (OLG Nürnberg, Urteil v. 29.12.2020 – 3 U 2008/20, GRUR-RS 2020, 55123, Rn. 210). Vorliegend hat die Beklagte gegen ihre rechtsgeschäftlich eingegangene Verpflichtung, dem Kläger die Benutzung ihres Kommunikationsdienstes zu ermöglichen, soweit nicht ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen vorliegt, verletzt (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB). Auf einen Verzug der Beklagten hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs des Klägers kommt es insoweit nicht an. Die Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung stellen sich insoweit als kausale Folge der Vertragsverletzung der Beklagten dar. Der Kläger durfte auch davon ausgehen, ohne anwaltliche Hilfe seine Rechtsposition nicht durchsetzen zu können (ebenso OLG Nürnberg, Urteil v. 29.12.2020 – 3 U 2008/20, GRUR-RS 2020, 55123, Rn. 210), zumal die Beklagte auf die Aufforderung des Klägers zur Mitteilung der Gründe für die Sperre des Accounts und zur Freischaltung binnen drei Tagen mit Ausnahme einer Aufforderung zur Verifizierung der Identität des Klägers nicht reagierte.
b) Der Streitwert der berechtigten Forderung, aus dem sich die Gebühren berechnen, beträgt allerdings lediglich bis XXX Euro. Die Gebühren bei einem Gegenstandswert von bis zu XXX Euro betragen 127 Euro. Bei zugrunde legen einer Gebühr von 1,3 gem. Nr. 2300 Anlage 1 RVG und Berücksichtigung der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 Euro gem. Nr. 7002 Anlage 1 RVG und der Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gem. Nr. 7008 Anlage 1 RVG ergibt sich ein Ersatzanspruch in Höhe von XXX Euro.
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, 291 Abs. 1 BGB folgen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 Var. 1, S. 2, § 281 Abs. 3 S. 2, 344 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1, 2, 3 ZPO.
Hinweis: Die vorbezeichneten Links führen auf https://www.instagram.com/recht.help/
Die Entscheidung als Druckversion gibt es hier:
(Anmerkung: Die vorbezeichnete Entscheidung ist anonymisiert, um die Prozessbeteiligten unkenntlich zu machen. Sie ist noch nicht rechtskräftig.)
Die Entscheidung können Sie hier herunterladen:
Erfahrungen mit dem Instagram-Support bei Sperrung und Deaktivierung des Accounts:
Der Algorithmus von Meta, der für Sperren auf Instagram und auch auf Facebook zuständig ist, ist sehr fehleranfällig. Manche Verhaltensweisen werden schlicht falsch interpretiert und als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Instagram gewertet. Oft wissen Nutzer auch gar nicht, was genau das Problem sein soll. Es wird oft berichtet, dass der Instagram-Support nicht hilft, auf Anfragen nicht reagiert oder zumindest schwierig zu erreichen ist.
Das ist eine ungünstige Situation, denn viele Nutzer wissen dann auch gar nicht, was sie falsch gemacht haben sollen. Sie haben keine Möglichkeit, den Sachverhalt richtigzustellen.
In diesen Fällen können Betroffene ihre gesetzlichen Rechte beanspruchen und sich gegen Meta zur Wehr setzen. Denn eine Sperre und Deaktivierung des Instagram-Kontos, ohne dass Nutzer dazu angehört werden, ist unzulässig.
Ihr Instagram-Konto wurde gesperrt, deaktiviert, gelöscht? Sie wollen es freigeschaltet wissen und erneute, grundlose Sperren in Zukunft vermeiden? - Wir helfen Ihnen!
Profitieren Sie von unseren Erfahrungswerten mit Meta. Wir helfen Ihnen gerne und vertreten Sie deutschlandweit.
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