Tenor
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.927,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
03.12.2023 zu bezahlen.
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Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch gegenüber dem Kläger auf Zahlung von weiteren 3.808 € aus einem Vertrag über das Coaching
„Digital Reselling - Einkommen auf Autopilot“ zusteht.
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des
Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
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Der Streitwert wird auf 5.735,80 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht Rückzahlung und Feststellung nach einem Widerruf eines Coachingvertrags geltend.
Der Kläger wurde im Herbst 2022 durch Werbung auf YouTube und Instagram auf den Coachinganbieter – aufmerksam, der sich zur Abwicklung des Coachingangebots
der Beklagten bedient. – ist Gesellschafter und Geschäftsführer der – - und wirbt auf diversen Internetkanälen, unter anderem YouTube und Instagram, damit, dass sich mit seinem Coaching
binnen kürzester Zeit und ohne Vorkenntnisse ein garantiertes signifikantes passives Einkommen erwirtschaften ließe und gibt dafür eine „110% Erfolgsgarantie“.
Aufgrund dieser Werbeaussagen trug sich der Kläger für ein unverbindliches telefonisches Beratungsgespräch ein, welches am 06.11.2022 stattfand. Aufgrund
der im Telefonat durch den Gesprächspartner durchgeführten Werbung zeigte sich der Kläger für die Inanspruchnahme von Leistungen der XXX offen und schloss einen Vertrag für das Produkt
„Digital Reselling – Einkommen auf Autopilot“. Im Rahmen des Vertragsschlusses wurde ein Onlineverkaufsformular mit den Daten des Klägers ausgefüllt. Im Rahmen des Telefongesprächs
erreichte der Gesprächspartner des Klägers, dass der Kläger auf dem Onlineformular einen Haken bei einer Checkbox setzte, welche folgenden Wortlaut aufweist:
Hiermit stimme ich zu, dass – mit der Ausführung des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich mit dieser
Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages mein Widerrufsrecht verliere.
Im Anschluss an den Vertragsschluss erhielt der Kläger eine Rechnung der Beklagten vom 06.11.2022 über einen Preis von 5.735,80 € brutto und einer
gestaffelten Ratenzahlung, wobei die erste Rate von 23,80 € am 06.11.2022 fällig war und danach monatlich Raten zu je 238,00 €. Bislang hat der Kläger an die Beklagte einen Betrag von
1.927,80 € bezahlt.
Mit Schriftsatz vom 20.09.2023 erklärte der anwaltliche Vertreter des Klägers den Widerruf des Vertrags.
Der Kläger behauptet, er habe die Bereitschaft zum Vertragsschluss allein aufgrund der Zusage einer Geld-zurück-Garantie und im Vertrauen auf ein
Widerrufsrecht gefasst. Das Onlineverkaufsformular sei von seinem Gesprächspartner ausgefüllt worden. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass mit Bestätigung des Onlineformulars ein
Vertrag mit der Beklagten zustande kommen würde, vielmehr sei ihm die Beklagte als Zahlungsdienstleister beschrieben worden. Als Vertragspartner ging er von – bzw. der – - aus, da auch
das Coaching durch – erfolgen sollte. Der Telefongesprächspartner sei es auch gewesen, der durch geschickte Manipulation erreicht habe, dass der Kläger einen Haken bei der Checkbox setzt,
obwohl dem Kläger nicht klar war, was die Bedeutung dieses Hakens gewesen sei.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.927,80 € zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem aasiszinssatz seit
04.10.2023 zu zahlen.
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Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch gegenüber dem Kläger auf Zahlung von weiteren 3.808,00 € aus einem Vertrag über das Coaching
„Digital Reselling — Einkommen auf Autopilot' zusteht.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.927,80 € zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
04.10.2023 zu zahlen.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe das Formular selber ausgefüllt. Es sei auch klar erkennbar gewesen, dass es sich um die Webseite der Beklagten
handeln würde. Die Beklagte sei als Wiederverkäuferin tätig und würde auch so in Erscheinung treten. Produkte, welche sie an den Kläger verkaufen würde, würde sie bei den
Leistungserbringern gleichzeitig einkaufen, sie habe im Moment des Vertragsschlusses ein Deckungsgeschäft mit – abgeschlossen und diesen mit der Erfüllung des betreffenden Vertrages
beauftragt. Dem Kläger stünde kein Widerrufsrecht zu, da dieser als Existenzgründer einzustufen sei.
Das Gericht hat den Kläger in der Verhandlung am 10.04.2024 angehört.
Zur Vervollständigung des Tatbestands wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, sowie sonstige Aktenteile.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, nur in den Nebenforderungen teilweise unbegründet.
Dem Kläger steht ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des unstreitig bezahlten Betrags von 1.927,80 € zu (§§ 611, 312c, 312g, 355, 356, 346 BGB).
1. Zwischen den Parteien ist ein Vertrag zustande gekommen. Dieser ist als Dienstvertrag oder Vertrag sui generis einzustufen, was letzten
Endes offenbleiben kann. Geschuldet war jedenfalls ein „Coaching“ über Möglichkeiten von Generierung von Einkommen, was jedenfalls als Dienstleistung oder dienstleistungsähnliche Leistung
einzustufen ist. Damit liegt ein Vertrag im Sinne des § 356 Abs. 4 BGB vor. Bereits hier ist festzuhalten, dass jedenfalls kein Vertrag über die ledigliche Bereitstellung digitaler
Inhalte im Sinne des § 356 Abs. 5 BGB abgeschlossen wurde. Die Anlage B2 spricht hinsichtlich der Vertragsinhalte von einer „hochintensiven 10-wöchigen Betreuung“ unter Einschluss von
„persönlichen Livecalls“ und einem „schnellen und individuellen 24/7-WhatsApp-Experten-Support“, also einer persönlichen Betreuung, die (wenn es solche Inhalte allerdings wohl auch gibt)
nicht lediglich im Abruf vorgefertigter Videos oder sonstiger digitaler Inhalte besteht. Insbesondere persönliche Livecalls sind aus Sicht des Gerichts ein Hinweis darauf, dass der
Vertrag eine Vielzahl von Teilleistungen enthalten hat, die jedenfalls auch persönliche Elemente enthalten und sich damit erheblich von einer Bereitstellung digitaler Inhalte (ähnlich dem
Streamen von Filmen oder Serien) unterscheidet.
Angesichts der vom Kläger geschilderten und von der Beklagten teilweise so bestätigten Vertragsanbahnung geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte
tatsächlich auch Vertragspartner des Beklagten geworden ist und sich nicht nur so geriert. Die Beklagte hat (insoweit unwidersprochen) angegeben, es sei dem Onlineformular deutlich zu
entnehmen gewesen, dass der Vertrag mit ihr und nicht mit XXX persönlich oder der XXX abgeschlossen werden sollte. Auf die Erwartung des Klägers kann es in diesem Zusammenhang nicht
angekommen.
2. Zwischen den Parteien ist ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB zustande gekommen. Bei der Beklagten handelt es sich ohne
weiteres um eine Unternehmerin im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB, da es sich bei der Beklagten um eine GmbH mit gewerblichen Hintergrund handelt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger allerdings nicht als Existenzgründer (und somit als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB) einzustufen,
sondern als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, welcher ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abgeschlossen hat, die überwiegend weder seiner gewerblichen noch seiner selbstständigen beruflichen
Tätigkeit zugerechnet werden kann.
In der Anhörung hat der Kläger angegeben, dass er (wie immer noch) zum Zeitpunkt Vertragsschlusses arbeitssuchend war und gelernter Kfz-Mechatroniker ist.
Er hat für sich eine Selbstständigkeit überlegt, kann diese allerdings noch nicht anstreben, da er den dafür erforderlichen Meisterbrief noch nicht vorweisen kann. Damit war offenbar eine
Selbstständigkeit im Bereich Kfz-Mechatronik, da er dafür den Meisterbrief benötigt. Er hat auch angegeben, dass er sich für das Beratungsgespräch nur aus Neugier angemeldet hat. Ob er
sich tatsächlich, wie man dem vom Kläger angeführten Beitrag des Comedians Jan Böhmermann entnehmen kann, zur Einkommensgenerierung „mittels zerrissener Hosen“ breitschlagen lassen
wollte, konnte der Anhörung des Klägers nicht entnommen werden. Neugier allein verleitet einen Verbraucher nicht dazu, sich im Hinblick auf kaum nachvollziehbare Versprechung ohne jede
Substanz (Einkommen ohne jeglichen Arbeitseinsatz, weil „Autopilot“) selbstständig zu machen oder eine selbstständige Tätigkeit vorzubereiten.
In Anbetracht dessen ist der Kläger somit nicht als Existenzgründer einzustufen, da er sich noch nicht zur Aufnahme eines Unternehmens entschlossen hat,
sondern diese Entscheidung (zur Führung eines Unternehmens wie –) allenfalls vorbereitet hat (zum Thema progressive Kundenwerbung instruktiv BGH NJW 2011, 1236). Sollte sich der Kläger
nach Inanspruchnahme des „Coachings“ der Beklagten, welches tatsächlich durch die XXX erfolgen sollte, wirklich zu einer „Einkommensgenerierung im Autopilot“ entschließen, hätte er diese
Entscheidung erst nach dem Coaching getroffen, das Coaching selber wäre allenfalls eine Art von Informationsbeschaffung gewesen. Die von der Beklagten vertriebenen Coachings dienen also
allenfalls der Vorbereitung einer Entscheidung, ob man eine Existenz gründen möchte oder nicht (vgl. insoweit BeckOK, BGB, 69. Edition, 01.02.2024, BGB § 13).
Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum die Beklagte ausdrücklich eine Checkbox mit dem Verzicht auf ein Widerrufsrecht aufnimmt, wenn es sich bei den
Kunden der von ihr vertriebenen Coachings regelmäßig um Existenzgründer handeln sollte. Eine solche Checkbox wäre im Verkehr unter Unternehmern schlicht überflüssig. In diesem Falle wäre
zu erwarten, dass eine solche Checkbox gar nicht erst vorgesehen ist, vielmehr würde dies (für den Fall der tatsächlich vorhandenen Existenzgründereigenschaft) die Vertragspartner eher
noch verwirren und ihnen vorspiegeln, dass tatsächlich ein Widerrufsrecht bestehen würde.
Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass der Vertrag ausschließlich unter Nutzung von Fernkommunikationsmitteln, hier Telefongespräch nebst
Internethomepage, zustande gekommen ist. Ohne weiteres ist auch das Vertriebssystem der Beklagten auf Fernabsatzgeschäfte ausgerichtet, wie der zwar bestrittene, aber von der Beklagten so
behauptete Wiedereinkauf der Coachingleistungen bei der XXX durch die Beklagte zeigt. Sofern dieser Vortrag zutrifft, würde dies bedeuten, dass die Beklagte ein ausgeklügeltes
Computersystem zur Bereitstellung des Deckungskaufs mit den jeweiligen Coachinganbietern aufweisen muss, sprich zeitnah zu den Vertragsschlüssen mit den Coachinginteressenten (hier dem
Kläger) sofort entsprechende Kapazitäten bei den Coachinganbietern herstellen muss.
3. Der Kläger hat wirksam den Fernabsatzvertrag widerrufen.
a) Grundsätzlich ist bei Fernabsatzverträgen nach § 312g BGB ein Widerrufsrecht vorgesehen.
b) Die Widerrufsfrist hat noch nicht zu laufen begonnen, da die Beklagte den Kläger nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hat (§ 356 Abs.
3 BGB).
c) Das Widerrufsrecht des Klägers ist auch nicht nach § 356 Abs. 5 BGB erloschen, da wie bereits ausgeführt, keine digitalen Inhalte
vorliegen, sondern die Beklagte, gegebenenfalls durch ihre „Subunternehmer“ wie –, zur persönlichen Erbringung der Coachingdienstleistungen verpflichtet war und somit nicht nur digitale
Inhalte heruntergeladen werden konnten, sondern auch per WhatsApp oder „Livecall“ Echtzeitkontakte mit real lebenden Personen geschuldet waren.
d) Das Widerrufsrecht ist auch nicht nach § 356 Abs. 4 Nr. 1 BGB erloschen, da die Beklagte die Dienstleistung noch nicht vollständig
erbracht hat. Angesichts des Ratenzahlungsplanes ist davon auszugehen, dass die Dienstleistungen der Beklagten bis 06.11.2024 für den Kläger zur Verfügung gestanden hätten, in diesem
Zeitraum also ein Coaching erfolgt wäre und somit die Dienstleistung bis dahin erst vollständig erbracht worden wäre.
4. Somit schuldet die Beklagte die Rückzahlung der bereits gezahlten Beträge (§ 346 Abs. 1 BGB).
5. Auf die sonstigen vom Kläger genannten Anspruchsgrundlagen kommt es somit nicht an.
Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet, da sein Feststellungsinteresse darin liegt, rechtskräftig festzustellen, dass weitere Ansprüche der
Beklagten nicht mehr bestehen. Aufgrund des wirksamen Rücktritts vom Vertrag (s.o.) ist dieser Antrag auch begründet.
Die Zinspflicht der Klägerin folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB, beginnt allerdings erst mit Zustellung des Mahnbescheids zu laufen, also am 03.12.2023, da
der Klägervertreter im Widerrufsschreiben vom 20.09.2023 (Anlage K4) nicht zur Rückzahlung der bereits geleisteten Beträge aufgefordert hat, sondern nur zur Erklärung, dass weitere
Forderungen nicht geltend gemacht werden.
IV.
Daraus folgt auch, dass außergerichtliche Kosten nicht verlangt werden können, da zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters kein Verzug bestand.
Ein Schadensersatzanspruch besteht nicht, da insoweit keine Vertragsverletzung vorliegt, da zunächst ja ein wirksamer Vertrag vor dem Widerruf des Klägers vorgelegen hat.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert folgt der
Klageforderung, im Falle einer negativen Feststellungsklage ist der offene Betrag vollumfänglich anzusetzen.
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