Das Landgericht Oldenburg hat entschieden, dass ein Teilnehmer eines "Online-Coachings" keine Gebühren zahlen muss, wenn das "Coaching" als Fernunterricht nicht staatlich zugelassen ist. Auf diese teilnehmerfreundliche Regelung aus dem Fernunterrichtsschutzgesetz können sich nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer berufen (siehe LG Oldenburg - 9 0 2332/23).
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Zum Sachverhalt: "Coach" verklagte einen freischaffenden Künstler auf Zahlung ausstehender Kosten für einen abgeschlossenen "Coachingvertrag"!
Ein freischaffender Künstler ist auf Social Media auf einen "Coach" aufmerksam geworden. Das "Coaching" mit dem Namen „Artist Excellence Programm (4 Monate)" beinhaltete unteranderem, dass einem beigebracht werde, als Künstler erfolgreich seine eigene Kunst zu vermarken und zu vertreiben. Der Künstler ist neugierig geworden und es kam zu einem Erstkontakt. Nachdem ihm weitere Informationen -u.a. in einem "Zoom-Call"- zur Verfügung gestellt worden sind, buchte er das "Coaching" schließlich im Jahre 2021. In der Folgezeit zahlte der Künstler die Rechnungen nicht, die ihm der "Coach" für die "Coachingleistungen" übersandte.
Der "Coach" leitete im Jahre 2023 ein Mahnverfahren ein. Der Künstler widersprach dem Mahnbescheid und machte im Anschluss geltend, dass er nichts zahlen müsse. Neben weiteren Argumenten führte er an, dass der "Coachingvertrag" nichtig sei, weil eine staatliche Zulassung nach dem sogenannten Ferununterrichtsschutzgesetz fehle.
Als Kläger ("Coach") und Beklagten ("Coachingteilnehmer") trafen sich schließlich beide vor Gericht.
LG Oldenburg: Mangels erforderlicher Zulassung ist der "Coachingvertrag" nichtig, so dass der "Coach" keine Zahlung verlangen dürfe - Die betreffenden Regeln der Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) sind auch zwischen Unternehmern im "b2b" Bereich anwendbar!
Bei Gericht unterlag der "Coach" mit seiner Forderung. Der Künstler hat das "Coaching" nicht zu bezahlen, da es nämlich nicht staatlich zugelassen war. Fehlt die Staatliche Zulassung, dann sind derartige Verträge nichtig. Unwirksame Verträge können niemanden verpflichten, weshalb der Künstler das "Coaching" auch nicht zu bezahlen hat.
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) findet auch zwischen Unternehmern im "b2b" - Bereich Anwedung!
Dass der Künstler das "Coaching" als Unternehmer buchte, ist in diesem Sinne unerheblich, weil diese Regelung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auch im "B2B" - Bereich zwischen Unternehmern Anwendung findet und sich nicht nur Verbraucher auf diese günstigen Regelungen berufen dürfen.
"Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag ist gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der vom Kläger angebotenen Leistung um einen Fernunterrichtsvertrag i.S.d. § 1 FernUSG. Da der Kläger unstreitig nicht über die erforderliche Zulassung zur Erteilung von Fernlehrgängen verfügt (§ 12 Abs. 1 FernUSG), ist der Vertrag zwischen den Parteien gern. § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig.
Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Frage, ob das FernUSG auch zwischen Unternehmern Anwendung findet, der Auffassung des OLG Celle an (Urteil vom 01 .03.2023 - 3 U 85/22 - derzeit nicht rechtskräftig), nach der es nicht darauf ankommt, ob der Kunde als Verbraucher handelt." - zit. LG Oldenburg - 9 0 2332/23
Anmerkung: Das zitierte Urteil des OLG Celle ist nunmehr rechtskräftig geworden.
Das Urteil des LG Oldenburg (9 0 2332/23) gibt es hier:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht mit seiner Klage Vergütungsansprüche aus einem Beratungs- und Coachingprogramm geltend.
Der Kläger bietet unter der Firmenbezeichnung „XXXXX XXXXXX" Beratungsleistungen für selbstständige Künstler an. Der Kläger erbringt seine Leistung ausschließlich online, überwiegend über Videokonferenzen. Über eine Zulassung zur Erteilung von Fernlehrgängen gem. § 12 FernUSG verfügt der Kläger nicht.
Der Beklagte war im Jahr 2021 als freischaffender Künstler tätig und bot seine Kunst über das Internet unter Angabe einer Umsatzsteuer-lD an (siehe Anlage K4, BI. 10 Anlagenband Kläger).
Über die Social-Media-Plattform XXXXXXXXX kam der Kläger mit dem Beklagten in Kontakt, woraufhin der Beklagte Interesse an der Leistung des Klägers bekundete.
Mit E-Mail vom 20.07.2021 übersandte ein Mitarbeiter des Beklagten dem Kläger daraufhin weiteres Informationsmaterial, woraufhin ein kostenloses Erstberatungsgespräch via Zoom für den 26.07.2021 vereinbart wurde. In diesem Erstberatungsgespräch erläuterte der Kläger dem Beklagten sein Programm. Dabei wurde insbesondere kommuniziert, dass der Kontakt zwischen dem Kläger und dem Beklagten ausschließlich über Fernkommunikationsmittel stattfinden wird.
Nach Abschluss des Gesprächs erstellte der Kläger am 26.07.2021 ein Angebot, in dem unter anderem folgendes festgehalten ist:
,,- Premium-VIP-Support: Individuelle Betreuung durch XXXXX XXXXX via XXXXX XXX und E-Mail
- Zeitraum für die Zusammenarbeit: 6 Monate
- Präsentation im Netzwerk von XXXXX XXXXX und Kontakte In die Kunstbranche (Nach Erarbeitung von Säule 1-3)
Wir werden gemeinsam die entscheidenen Schritte gehen, welche bereits XXXXXXXXX und viele andere Künstler erfolgreich gemacht haben. Diese Schritte funktionieren auch individuell für dich und deine Kunst. "
Daneben beschreibt das Angebot verschiedene Leistungssäulen, die mit „Branding & Positionierung", ,,Kunstmarketing" und „Kunstverkauf' überschrieben sind. Schließlich enthält das Angebot ein „Artist Excellence Programm (4 Monate)", welches auf sechs Säulen aufgebaut ist.
Wegen der konkreten Beschreibung der im Angebot enthaltenen Leistungen wird auf die Anlage K1 (BI. 1 ff. Anlagenband Klägerseite) Bezug genommen.
Die jeweiligen Leistungssäulen sind im Angebot nicht mit Preisen versehen. Das Angebot schließt stattdessen mit einem Pauschalpreis in Höhe von 6.545,00 € brutto für sämtliche angebotenen Leistungen.
Als „Startdatum" wird der 23.08.2021 angegeben.
Abschließend verweist das Angebot auf die im Internet abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers. In den AGB heißt es auszugsweise:
§4
(. . .)
(3) Der Kunde ist bis auf anderslautende Vereinbarung mit uns vorleistungsverpflichtet. Die vereinbarte Vergütung ist unmittelbar mit Vertragsschluss fällig.
§5
(1) Der Vertrag ist für die im jeweiligen Hauptvertrag vereinbarte Laufzeit fest geschlossen.
(2) Vorzeitige / freie Kündigungsrechte des Kunden innerhalb der Vertragslaufzeit werden ausgeschlossen.
(3) Im Fall der vorzeitigen Kündigung des Kunden aus wichtigem Grund bleibt unser Vergütungsanspruch unberührt. Dem Kunden bleibt der Nachweis vorbehalten, dass uns kein oder ein wesentlich geringerer Schaden entstanden ist.
Wegen des weiteren Inhalts des Angebots und der AGB wird auf die Anlagen K1 (BI. 1 ff. Anlagenband Kläger) und K3 (BI. 6 ff.) Bezug genommen.
Der Beklagte nahm das Angebot des Klägers mit E-Mail vom 28.07.2021 an (Anlage K2, BI. 5 Anlagenband Kläger).
Am 03.09.2021 fand zwischen den Parteien sodann das Startgespräch via Zoom statt. Im Rahmen dieses Gesprächs erhielt der Beklagte einen Persönlichkeits-Fragebogen, den er anschließend zur Analyse an den Kläger übersenden sollte.
Bereits zuvor hatte der Kläger dem Beklagten eine Abschlagsrechnung über 2.181,66 € übersandt und am 01.09.2021 angemahnt. Eine Rechnung über eine zweite Rate in Höhe von 2.181 ,66 € erhielt der Beklagte am 27.09.2021 . Seide Rechnungen zahlte der Beklagte bis heute nicht.
Der Kläger teilte dem Beklagten hierzu am 27.09.2021 über einen Messenger-Dienst mit, dass er vorerst kein Feedback zum Worksheet geben werde und das Programm pausieren möchte, bis die aktuellen Rechnungen beglichen wurden. Der Beklagte stimmte dieser Vorgehensweise zu (Anlage KS, BI. 11 ff. Anlagenband Kläger).
Im Anschluss an diese Korrespondenz fragte der Kläger beim Beklagten wiederholt nach dem aktuellen Sachstand, wobei der Beklagte stets antwortete, die ausstehenden Rechnungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zahlen zu können. Der Kläger erinnerte den Beklagten schließlich zuletzt mit E-Mail vom 30.01 .2023 an die ausstehenden Rechnungen, woraufhin seitens des Beklagten keine Reaktion erfolgte. Darauf erstellte der Kläger mit Datum vom 16.02.2023 die letzte Teilrechnung in Höhe von 2.181,66 € und leitete das Mahnverfahren über die ausstehende Vergütung ein, nachdem er zuvor zum Preis von 2,70 € eine Schuldnerauskunft über den Beklagten eingeholt hatte.
Nach dem eingeleiteten Mahnverfahren beauftragte der Beklagte seine nunmehrigen
Prozessbevollmächtigten, welche mit vorgerichtlichem Schreiben vom 26.03.2023 den Widerruf, die außerordentliche Kündigung und die Anfechtung des geschlossenen Vertrages erklärten. Mit Schriftsatz vom 03.09.2023 wiederholte er diese Erklärungen.
Der Kläger behauptet, dass der Beklagte als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB gehandelt habe. Ihm stünde deshalb kein Widerrufsrecht zu. Auch die Kündigung des Beklagten entfalte keine Wirkung, weil dem Beklagten kein außerordentliches Kündigungsrecht zugestanden habe. Ein Recht zur ordentlichen Kündigung habe aufgrund der fest vereinbarten Vertragslaufzeit und den Regelungen der vereinbarten AGB ebenfalls nicht bestanden.
Der Vertrag sei auch nicht aufgrund des§ 7 Abs. 1 FernUSG, weil die Leistung des Klägers keinen Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes darstelle.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe 6.544,98 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.181 ,66 €seitdem 28.08.2021 , aus 2.181,66 €seitdem 05.10.2021 sowie aus 2.181,66 € seit dem 01.03.2023 zu zahlen.
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2,70€ zuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien kein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei.
Der Vertrag sei zum einen gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil es sich bei dem
geschlossenen Dienstvertrag um Fernunterricht i.S.d. FernUSG handele und der Kläger - unstreitig - nicht über die erforderliche Zulassung zur Veranstaltung von Fernlehrgängen verfüge.
Zudem sei der Vertrag wegen Wuchers nach§ 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig.
Schließlich folge die Nichtigkeit aus der hilfsweise erklärten Anfechtung des Beklagten. Dem Beklagten habe ein Anfechtungsrecht zugestanden, weil der Kläger ihn arglistig über seine Expertise getäuscht habe.
Darüber hinaus sei auch der erklärte Widerruf des Beklagten wirksam gewesen. Der Beklagte habe nicht als Unternehmer i.S .d. § 14 BGB, sondern als Verbraucher gern. § 13 BGB gehandelt, sodass ihm ein Widerrufsrecht zugestanden hätte.
Schließlich habe auch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung des Vertrages zum Verlust etwaiger Vergütungsansprüche geführt.
Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 14.11 .2023 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der Sitzung vom 14.11.2023 (Bl. 158 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Der zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag ist gern. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der vom Kläger angebotenen Leistung um einen Fernunterrichtsvertrag i.S.d. § 1 FernUSG. Da der Kläger unstreitig nicht über die erforderliche Zulassung zur Erteilung von Fernlehrgängen verfügt (§ 12 Abs. 1 FernUSG), ist der Vertrag zwischen den Parteien gern. § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig.
1. Bei den vom Kläger angebotenen Leistungen handelt es sich um die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 1 FernUSG. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Angebot des Klägers vom 26.07.2021 (Anlage K1 ), in dem es unter der Überschrift „Artist Excellence Programm" unter anderem heißt:
„Säule 1: Markenaufbau & Digitales Marketing - Selbstvermarktung Teil 2 (Geheimes Agenturwissen für die erfolgreiche Selbstvermarktung als Künstler) - Reichweiten Generierung via XXXXXXXX, XXXXXXXXX, XXXXXXXXX, XXXXXXX, Podcast, Online Blogs und weitere Kanäle (. . .)
Säule 3: Safes Masterclass - Gesprächsleitfaden und Verkaufstechniken, um neue Partner zu gewinnen, Preise zu verhandeln und die eigene Kunst authentisch zu verkaufen
Säule 4: Zehn bewährte, fortgeschrittene Strategien für erfolgsreichen Kunstverkauf
Säule 5: Marketing Tools
- Professionelle Website erstellen & verwalten inkl. Exklusiver Website Vorlage
- Content Marketing
- Markenpräsentation
Säule 6: Public Relations - Deine Kunst in Zeitungen - Deine Kunst in Magazinen - Deine Kunst im Fernsehen - Journalisten begeistern und überzeugen - Kontaktaufnahme mit Journalisten - und mehr ... "
Dieses Angebot des Klägers zielt ersichtlich darauf ab, dem Beklagten Kenntnisse und
Fähigkeiten für seinen beruflichen Erfolg zu vermitteln.
Soweit der Kläger hierzu behauptet, dass es bei seiner Leistung nicht um die abstrakte Wissensvermittlung oder das Vermitteln von Fähigkeiten gehe, steht dies mit der zitierten Leistungsbeschreibung im Widerspruch. Die allgemein beschriebenen Kenntnisse und Fähigkeiten sind letztlich für jeden kommerziell tätigen Künstler von Interesse und können, genau wie beispielsweise Kommunikationstechniken, auf theoretischer Basis vermittelt werden.
Im Übrigen kommt es für die Anwendung des FernUSG nicht darauf an, ob die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten lediglich anhand abstrakter Beispiele erfolgt oder sich speziell an den Bedürfnissen des Vertragspartners orientiert.
Schließlich verfängt auch das klägerische Argument eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nicht. Dem Gericht erschließt sich nicht, inwiefern sich ein derartiges Leistungsbestimmungsrecht auf die Anwendung des FernUSG auswirken sollte.
Soweit der Kläger der Auffassung sein sollte, dass er seine Leistung im Rahmen eines ihm zustehenden Leistungsbestimmungsrechts jeweils so anbieten könne, dass sie nicht vom Anwendungsbereich des FernUSG erfasst sei, wäre dies unerheblich. Eine derartige Auslegung des Vertrages würde einen Verstoß gegen das in § 8 FernUSG statuierte Umgehungsverbot darstellen.
2. Nach Auffassung des Gerichts ist darüber hinaus auch die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG benannte Voraussetzung der räumlichen Trennung erfüllt, wenn die Kommunikation - wie hier - überwiegend über Videokonferenzen erfolgt.
Ausgangspunkt dieser Rechtsauffassung ist zunächst der eindeutige Wortlaut der Norm, der lediglich auf eine räumliche Trennung abstellt, die bei einer Kommunikation per Videokonferenz vorliegt.
Darüber hinaus ist die Intention des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken wollte. Insbesondere waren vor Erlass des Gesetzes Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen. Die bis dahin geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen „Schadens", nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BT-Dr 7/4245, S. 12) (BGH, Urteil vom 15. 10. 2009-111 ZR 310108) .
Angesichts dieses - auch heute noch bedeutsamen - Gesetzeszwecks ist von einem weiten Anwendungsbereich des FernUSG auszugehen.
Auch die weitere Gesetzesbegründung lässt eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG nicht zu. So heißt es dort hinsichtlich der überwiegenden Trennung von lernenden und lehrenden, dieses Merkmal grenze „den Fernunterricht einerseits gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ab, der sich nur ausnahmsweise eines Mediums bedient, um eine ebenfalls nur in Ausnahmefällen vorhandene, unerhebliche räumliche Trennung von Lehrer und Schüler zu überbrücken (z. B. Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum oder ein anderes Gebäude), und der jedenfalls weniger als die Hälfte des gesamten Lehrstoffs einer Unterrichtseinheit ohne die genannte räumliche Trennung anbietet" (BT-Drs. 7/4245, S. 14).
Dieser Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln von einer räumlichen Trennung ausgegangen ist und daher bei der
Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG eine räumliche Trennung im Wortsinne meinte (so auch LG Hamburg, Urteil v. 19.07.2023- 304 0 277/22).
Die in der Literatur vertretene Auffassung, welche im Rahmen der Beurteilung der räumlichen Trennung maßgeblich darauf abstellt, ob lernende zusätzliche Anstrengungen unternehmen müssen, um mit dem lehrenden Kontakt aufzunehmen (Vennemann, Fernunterrichtsschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Rn. 1 0; Faix, MMR 2023, 821; 824), findet weder im Wortlaut der Norm noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze. Die Kontaktaufnahme bei einer ausschließlichen Tonübertragung ist nicht aufwändiger als die Kontaktaufnahme in einer Videokonferenz und die Wissensvermittlung per Tonübertragung erfolgt, ebenso wie bei einer Videokonferenz, synchron. Bei ersterem ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch sicher von einer räumlichen Trennung ausgegangen (siehe oben).
Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben, spricht nicht dafür, den Anwendungsbereich auf asynchrone Kommunikationswege zu beschränken.
3. Zudem sieht der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen im Sinne des § 1 Nr. 2 FernUSG vor. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien. Lernerfolgskontrolle ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom BGH in seiner Entscheidung vom 15.10.2009 (111 ZR 310/08, NJW 2010, 608) konkretisiert wurde.
Danach sind nur geringe Anforderungen an die Lernerfolgskontrolle zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z. B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen.
Es ist nicht notwendig, dass innerhalb des Gesprächs eine gezielte Wissensabfrage durch den lernenden vorgesehen ist, beispielsweise durch vorbereitete Kontrollfragen. Es genügt bereits, dass ein persönlicher Austausch zwischen lernendem und lehrendem vorgesehen ist, in dessen Rahmen die Möglichkeit zu Rückfragen im Kontext der Lerninhalte besteht (LG Hamburg, Beschluss vom 11 .10.2023 - 304 0 277/22).
Ein derartiger Austausch zwischen den Parteien ist dem Programm des Klägers geradezu immanent, denn ausweislich seines Angebots werden die Lerninhalte in verschiedenen Säulen vermittelt, die aufeinander aufbauen. Der Austausch zwischen den Vertragsparteien ist dabei ein entscheidendes Verkaufsargument des Klägers, der damit wirbt, dass die Kunden von seiner Erfahrung als Künstler profitieren können. Das Angebot des Klägers vom 26.07.2021 ist zudem geprägt von dem Ziel der Selbstoptimierung, die der Kunde anstrebt. So heißt es in dem Angebot u.a.:
„wir zeigen dir, wie du deine Kunst(. . .) authentisch vermarktest"; ,,du wirst erfahren, wie du mit einer funktionierenden Strategie online und offline deine Kunst regelmäßig verkaufst"; „Selbstvermarktung Teil 2 (Geheimes Agenturwissen für die erfolgreiche Selbstvermarktung als Künstler )"; ,,Gesprächsleitfaden und Verkaufstechniken"; ,,Zehn bewährte, fortgeschrittene Strategien für den erfolgreichen Kunstverkauf“
Soweit der Kläger hierzu im laufe des Prozesses ausführte, dass er eine reine Agenturdienstleistung erbringe und deshalb Rückfragen des Kunden nicht vorgesehen seien, stellt er sich sowohl zum eigenen Vortrag in der Klageschrift, als auch zum vorgelegten Angebot vom 26.07.2021 in Widerspruch. Zu Beginn des Prozesses war zwischen den Parteien noch unstreitig, dass der Kläger seine Kunden in einem „Coaching"-Prozess zu mehr Erfolg verhelfen will. Dies wird auch durch das Angebot des Klägers bestätigt, in dem insbesondere im Rahmen des „Artist Excellence Programm" verschiedene Methoden zur Selbstoptimierung angeboten werden. Dass der Kläger mit seiner Leistung also ausschließlich Vermittlungstätigkeiten vornimmt, wie er es im Schriftsatz vom 10.11.2023 (BI. 120 ff d.A.) behauptet, erscheint dem Gericht angesichts des ursprünglichen Vortrags, dem typischen Ziel eines Coaching- und Beratungsvertrages sowie dem konkreten Angebot des Klägers fernliegend.
Stattdessen muss davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Kläger auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich (un)mittelbar auf Lerninhalte beziehen und in diesem Rahmen auch die Möglichkeit zu Verständnisfragen besteht. Durch den Vergleich der Antwort auf die eigenen Nachfragen können die Coaching-Teilnehmer den eigenen Wissensstand überprüfen und nachvollziehen, ob sie bestimmte Inhalte entsprechend dem Coaching-Konzept bereits im Sinne des Klägers hinreichend verstanden haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit einer (wenn auch nicht als solchen deklarierten) Lernerfolgskontrolle (LG Hamburg, Beschluss vom 11 .10.2023 – 304 0 277/22).
4. Soweit zwischen den Parteien schließlich in Streit steht, ob der Beklagte als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB gehandelt hat oder nicht, kann dies im Ergebnis dahinstehen.
Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Frage, ob das FernUSG auch zwischen Unternehmern Anwendung findet, der Auffassung des OLG Celle an (Urteil vom 01 .03.2023 - 3 U 85/22 - derzeit nicht rechtskräftig), nach der es nicht darauf ankommt, ob der Kunde als Verbraucher handelt.
Für dieses Verständnis spricht zunächst der Umstand, dass das FernUSG - abgesehen von § 3 Abs. 3 FernUSG - den Begriff des Verbrauchers nicht verwendet. Insbesondere gibt es - anders als z.B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. - keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt (OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023 - 3 U 85/22). In § 2 FernUSG wird stattdessen der Begriff des „Teilnehmers" verwendet, der mit dem Begriff des „Verbrauchers" gerade nicht identisch ist (BeckOGK/Alexander, 1.1 1.2023, BGB§ 13 Rn. 171). Dieser Begriff wurde im Rahmen diverser Gesetzesnovellierungen nicht durch den Begriff des „Verbrauchers" ersetzt, was gegen den Willen des Gesetzgebers spricht, den Anwendungsbereich auf Verbraucherverträge zu beschränken (so auch Faix in MMR 2023, 821, 826). Darüber hinaus ergibt auch eine teleologische Auslegung kein eindeutiges Ergebnis. Denn die Regelungen des FernUSG können in dem Kontext, in dem sie verabschiedet wurden, auch so verstanden werden, dass sie zum Schutz der Verbraucher getroffen wurden, sofern diese einen Fernunterrichtsvertrag abschließen, ohne Unternehmer auszuschließen; diese sollten gleichfalls von den getroffenen Regelungen profitieren. Soweit § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsieht, ist dies nur der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Zudem sollte das FernUSG der „Enttäuschung der Bildungswilligkeit" vorbeugen und ging von einer erheblich höheren Schutzbedürftigkeit des Teilnehmers am Fernunterricht im Verhältnis zu demjenigen am Direktunterricht aus (BT-Drs. 7/4245, 12 f.), stellte also nicht auf die Eigenschaft des Teilnehmers als Verbraucher ab (OLG Celle, Urteil vom 1.3.2023 - 3 U 85/22; so auch Faix in MMR 2023, 821, 826). Das Gericht geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass das FernUSG auch bei Verträgen zwischen Unternehmern zur Anwendung kommt. Es muss daher nicht entschieden werden, ob der Beklagte bei Vertragsabschluss als Verbraucher handelte oder nicht.
5. Da der Kläger unstreitig nicht über die nach § 12 FernUSG erforderliche Zulassung
verfügt, ist der Vertrag zwischen den Parteien gern. § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und dem Kläger stehen keine vertraglichen Ansprüche zu.
Es kann mithin dahinstehen, ob der Beklagte den Vertrag wirksam angefochten, widerrufen oder gekündigt hat und ob dem Kläger angesichts des vorzeitig unterbrochenen Vertragsverhältnisses und der fehlenden tatsächlichen Leistungserbringung ein Anspruch in geltend gemachter Höhe zugestanden hätte.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus§§ 708 Nr. 11 , 711 ZPO.
Das Urteil als Druckversion gibt es hier:
(Anmerkung: Die vorbezeichnete Entscheidung ist anonymisiert, um die Prozessbeteiligten unkenntlich zu machen. Sie ist noch nicht rechtskräftig.)
Die Entscheidung können Sie hier herunterladen:
Erfahrungen mit dem „Exklusive Mentoring mit Hakan Ersu – Plus +" von Hakan Kavut bzw. Copecart!
Über eigene Erfahrungen verfüge ich als Rechtsanwalt nicht, so dass ich nicht selbst beurteilen kann, ob das von Hakan Ersu bzw. Kavut angebotene "Mentoring" gut oder schlecht ist.
Im Internet beschreibt er sich als "leidenschaftlicher Unternehmer mit einem breiten Erfahrungsspektrum im Unternehmertum". Laut einen Interview auf Spotify vom 22.03.2024, das ihn als "Multi-Unternehmer" anpreist, ist er wohl erst 22 Jahre alt. Einschlägige Qualifikationen wie eine Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich, konnte ich nicht recherchieren; vielleicht hat der ein oder andere Leser mehr Rechercheglück.
Unstreitig verfügt Hakan Ersu bzw. Kavut bzw. Copecart zum Zeitpunkt dieser Entscheidung des LG Münster aber nicht über eine Zulssung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz. Durch diese Zulassung soll ein Mindestmaß an Qualität für Fernunterrichtslehrgänge gesichert werden, was allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieses "Mentoring" schlecht ist.
Im Endeffekt sollte jeder selbst entscheiden, was für ihn das Richtige ist. Einen Rat kann ich aber aussprechen: Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen und nehmen Sie sich Zeit, bevor Sie einen Vertrag abschließen!
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Wir helfen Ihnen gerne und vertreten Sie deutschlandweit.
Sprechen Sie uns einfach unverbindlich an!
Hinweis und Disclaimer für Abmahner: Dieser Artikel wurde am 27.11.2024 verfasst. Die Rechtslage wurde fachgerecht recherchiert und zum Teil in vereinfachter Sprache wiedergegeben, damit auch Nichtjuristen die Möglichkeit haben, etwas zu verstehen. Durch die Veröffentlichung der Entscheidung, den Quellenangaben und Verlinkungen, die auf Texte mit weiteren Nachweisen führen, ist mein Text überprüfbar gemacht worden. Etwaige Ungenauigkeiten, die aufgrund vereinfachter Sprachgestaltung herrühren können, können anhand der Fundstellen identifiziert werden. Etwaige Ungenauigkeiten, etc. vermag ich aber nicht zu erkennen.
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