Jemand anderes zu bedrohen oder zu nötigen ist verboten. Der Bedrohte kann sich hiergegen nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich erwehren: Ihm steht ein Unterlassungsanspruch zu.
Nichtamtliche Leitsätze des LG Köln (Urteil vom 16.09.2009 - 28 O 457/09):
- Stellt jemand ein sachfremdes Übel (hier: Drohung mit Finanzamt) in Aussicht, um einen Anspruch durchzusetzen, handelt es sich um eine Drohung / Nötigung.
- Dem Bedrohten kann sich hierbei erwehren und einen zivilrechtlichen Anspruch auf Unterlassung geltend machen.
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Egal ob gegen Sie ein Anspruch besteht oder nicht: eine Drohung mit dem Finanzamt oder anderen ungerechtfertigten Übeln müssen Sie nicht hinnehmen! Sie können sich erwehren! Bringen Sie die Drohung oder Nötigung zur Strafanzeige und machen Sie Ihren zivlrechtlichen Anspruch geltend!
Das Urteil (LG Köln, Urteil vom 16.09.2009 - 28 O 457/09) gibt es hier:
Tenor
- Die einstweilige Verfügung vom 13.07.2009 wird bestätigt.
- Die weiteren Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich einer E-Mail des Verfügungsbeklagten an den Verfügungskläger.
Der Verfügungskläger vertreibt unter dem Mitgliedsnamen „xx“ in großem Umfang Elektronikartikel. Dies geschieht unter anderem über die Online-Verkaufsplattformen „…“ und „…“.
Der Verfügungsbeklagte bestellte bei dem Verfügungskläger einen Fernseher zum Preis von 1.008,00 EUR. Dieser im Voraus zu zahlende Kaufpreis wurde dem Konto des Verfügungsklägers am 14.06.2009 gutgeschrieben. Der Eingang des Betrages wurde dem Verfügungsbeklagten per E-Mail bestätigt.
Nachdem am 02.07.2009 eine Lieferung des bestellten Fernsehers nicht erfolgt war, wandte sich der Verfügungsbeklagte per E-Mail an den Verfügungskläger. Inhalt der E-Mail war unter anderem:
„(...) Ich bin mir nicht sicher, ob Sie Ihren Laden einfach nur unprofessionell organisiert haben und Kundenorientierung Ihnen ein Fremdwort ist, oder ob ich hier einem Betrüger aufgesessen bin. Vorab: Ich bin Jurist und arbeite als Dozent seit fast 19 Jahren an einer Fachhochschule. Meine Studenten lehre ich Strafrecht, Zivilrecht und Steuerrecht. Zur Zeit bin ich in der Steuerverwaltung RLP im Bereich Betriebsprüfung und Steuerfahndung tätig. Zu den Kollegen in NRW habe ich vorzüglichen Kontakt.
(...) Ich fordere Sie auf, spätestens bis zum 15.07.2009 zu liefern.
Ich werde gestuft vorgehen: (...) 4. Durch meine Sachgebietsleitertätigkeit in der Steuerverwaltung im Bereich Betriebsprüfung und Steuerfahndung habe ich die Erfahrung gemacht, dass Unternehmer, sie sich im Geschäftsleben rechtswidrig verhalten, sehr häufig auch ihre steuerlichen Pflichten verletzen. Da werde ich mal die Kollegen der Finanzverwaltung in Köln kontaktieren.(...)“
Ergänzend wird auf die als Anlage ASt3 zur Antragsschrift vorgelegte E-Mail Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.07.2009 erklärte der Verfügungskläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und bat um Mitteilung, auf welches Konto der Kaufpreis zurückerstattet werden sollte. Darüber hinaus forderte der Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Auf das als Anlage Ast 4 vorgelegte Schreiben wird Bezug genommen.
Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 07.07.2009, eingegangen bei dem Verfügungsbeklagten am 08.07.2009, wurde erneut auf den Rücktritt Bezug genommen und dem Verfügungsbeklagten ein Verrechnungsscheck über den gezahlten Kaufpreis übersandt. Dieser löste den Scheck ein und der Betrag wurde am 10.07.2009 auf dem Konto des Verfügungsbeklagten gutgeschrieben.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass ihm gegen den Verfügungsbeklagten ein Unterlassungsanspruch zustehe, da die Drohung in der E-Mail vom 02.07.2009 eine rechtswidrige Drohung beinhalte. Auch die erforderliche Wiederholungsgefahr sei indiziert.
Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 10.07.2009, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, hat das Landgericht Köln dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel gemäß § 890 ZPO untersagt, dem Antragsteller damit zu drohen, die Kollegen der Finanzverwaltung NRW in seiner Funktion als Sachgebietsleiter in der Steuerverwaltung Rheinland-Pfalz zu kontaktieren, wenn der Antragsteller dem Antragsgegner den bestellten Fernseher nicht bis zum 15.07.2009 liefere, wenn dies wie aus der Anlage Ast 3 zur einstweiligen Verfügung geschieht. Die Kosten des Verfahrens sind dem Verfügungsbeklagten auferlegt worden. Hiergegen wendet sich der Verfügungsbeklagte im Wege des Widerspruchs.
Der Verfügungskläger beantragt,
- die einstweilige Verfügung vom 13.07.2009 zu bestätigen.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
- die einstweilige Verfügung vom 13.07.2009, Az. 28 O 457/09 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass in der E-Mail vom 02.07.2009 keine rechtswidrige Drohung gelegen habe, so dass schon aus diesem Grund kein Unterlassungsanspruch bestehe. Jedenfalls sei dieser entfallen, nachdem der Kaufvertrag – unstreitig – rückabgewickelt wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Unterlagen nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
- Gründe
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist die einstweilige Verfügung der Kammer zu bestätigen, da gegen den Verfügungsbeklagten ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund vorliegen. Der Verfügungskläger hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung.
Die Aktivlegitimation des Verfügungsklägers ist gegeben, da er im Rahmen der streitgegenständlichen E-Mail selbst angesprochen wird und sie die streitgegenständlichen Äußerungen unmittelbar gegen ihn richten.
Dem Verfügungskläger steht ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die im Antrag genannte Äußerungen gem. §§ 823, 1004 BGB, § 240 StGB zu. Die streitgegenständlichen Äußerungen hat der Verfügungsbeklagte unstreitig getätigt. Die für die Unterlassungsverfügung erforderliche Wiederholungsgefahr war daher indiziert. Im Einzelnen:
Die streitgegenständliche Äußerung war rechtswidrig, denn sie stellt eine Nötigungshandlung dar, die lediglich zur Durchsetzung des - ggf. seinerzeit tatsächlich bestehenden - Anspruchs auf Lieferung des Fernsehers nicht instrumentalisiert werden durfte.
Unabhängig von der Begründetheit der geltend gemachten Forderungen auf Lieferung des Fernsehers im Rahmen des unstreitig zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages erfolgte die folgende Äußerung:
„Durch meine aktuelle Sachgebietsleitertätigkeit in der Steuerverwaltung im Bereich Betriebsprüfung und Steuerfahndung habe ich die Erfahrung gemacht, dass Unternehmer, die sich im Geschäftsleben rechtswidrig verhalten, sehr häufig auch ihre steuerlichen Pflichten verletzen. Da werde ich mal die Kollegen der Finanzverwaltung in Köln kontaktieren.“
Darüber hinaus teilte der Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, dass er vorzügliche Kontakte zu den Kollegen in NRW habe.
Hieraus ergibt sich, dass die im Rahmen der E-Mail vom 02.07.2009 gemachte Äußerungen dem Zweck diente, durch die Drohung mit einem Kontakt zu den Kollegen aus NRW Druck auf den Verfügungskläger auszuüben und ihn damit zur Lieferung zu veranlassen. Dabei ist nicht relevant, ob auch der ordentliche Rechtsweg beschritten wurde bzw. beschritten werden konnte.
Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Äußerung auch um eine Nötigungshandlung i. S. d. § 240 StGB. Das Verhalten des Verfügungsbeklagten stellt sich als verwerflich dar. Die Verwerflichkeit der streitgegenständlichen Äußerungen kann sich bei Durchsetzung eines vermeintlichen Lieferungsanspruchs dabei aus dem grundsätzlichen Vorrang staatlicher Zwangsmittel ergeben. Wenn staatliche Hilfe rechtzeitig erreichbar ist, hat der Betroffene grundsätzlich die Polizei herbeizuholen oder den Rechtsweg zu beschreiben; greift er trotzdem oder darüber hinaus zur Selbsthilfe, um die (vermeintliche) Gesetzestreue anderer zu erzwingen, so ist sein Verhalten als verwerflich einzustufen. Umgekehrt wird aber die Widerrechtlichkeit der Nötigung nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass das Nötigungsmittel als solches erlaubt ist. Denn dass man zur Vornahme einer bestimmten Handlung berechtigt ist, wie z. B. einer Anzeige bei der Finanzverwaltung, bedeutet nicht, dass man damit zum Zwecke der Nötigung einem anderen ohne weiteres drohen darf. Dies jedenfalls dann nicht, wenn eine Inadäquanz zwischen der Drohung und dem erstrebten Zweck besteht (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 240 Rn 19 a f. m. w. N.; § 253 Rn. 4 zur sog. „Chantage“).
So liegt es hier, da der Verfügungsbeklagte den Rechtsweg hätte beschreiten können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verfügungsbeklagte nicht lediglich damit droht, eine - grundsätzlich zulässige - Anzeige bei der Finanzverwaltung zu erstatten. Vielmehr brüstet er sich mit den „vorzüglichen Kontakten“ zu den zuständigen Behörden und Mitarbeitern. Sodann teilt er mit, dass aufgrund des von ihm vorgeworfenen Verhaltens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für steuerliche Verfehlungen bestehe. Damit gibt er vor, aufgrund seiner beruflichen Position einen gewissen Einfluss auf die „Kollegen der Finanzverwaltung in Köln“ zu haben und auch aufgrund der Kontakte ein Verfahren gegen den Verfügungskläger einleiten zu können.
Das vorstehende Ergebnis wird durch die vom Verfügungsbeklagten zitierte Rechtsprechung bestätigt. So bezieht sich der Verfügungsbeklagte auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.1998 (NJW 1999, 2059). Hierin wird folgendes ausgeführt:
„Die Verknüpfung von Mittel und Zweck (sog. Zweck-Mittel-Relation) war nicht unangemessen, macht das Verhalten der Bekl. daher nicht widerrechtlich. Die Drohung mit einer Strafanzeige diente nur dazu, die Kl. zu Wiedergutmachung des Schadens der Bekl. zu veranlassen. Die Bekl. nutzte nicht etwa eine zufällig bekannt gewordene Straftat der Kl. aus, um anderweitige zivilrechtliche Ansprüche gegen sie durchzusetzen. Vielmehr bestand zwischen der anzuzeigenden Straftat und dem wiedergutzumachenden Schaden ein innerer Zusammenhang, weil sich der Schaden gerade aus der Straftat ergab.“
Vorliegend beschränkt sich die Drohung jedoch nicht auf den Vorwurf, der Verfügungsbeklagte erstatte wegen des streitgegenständlichen Verkaufs Anzeige bei den Finanzbehörden. Vielmehr teilt der Verfügungskläger ausdrücklich mit, dass die Erfahrung bestehe, dass grundsätzlich steuerliche Pflichten verletzt würden. Dies steht jedoch nicht in einem Zusammenhang mit dem eigentlichen Vertrag bzw. der Lieferungspflicht des Verfügungsklägers und ist daher als verwerflich anzusehen.
Die Widerholungsgefahr ist mangels der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung gegeben. Die Wiederholungsgefahr ist für den Unterlassungsanspruch materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGH, 14.10.1994 – V ZR 76/93, NJW 1995, 132). Sie wird durch die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung indiziert (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 12.8, m. w. N.) und grundsätzlich erst dann ausgeräumt, wenn der Verletzer sich unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegenüber dem Verletzten verpflichtet, sein beanstandetes Verhalten einzustellen (vgl. Burkhardt a. a. O., Kap. 12.17).
Auch durch die - unstreitige - Rückabwicklung des Kaufvertrages entfällt die Widerholungsgefahr nicht. An den Wegfall einer einmal begründeten Widerholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. So hat die Rechtsprechung angenommen, dass die Widerholungsgefahr auch fortbestehen kann, wenn sich ein Verlag seit Jahren in Liquidation befand und sodann in andere Hände gefallen ist (vgl. BGHZ 14, 163).
Vor diesem Hintergrund ist weiterhin von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Zwar mag hinsichtlich des konkreten Kaufgegenstandes keine Wiederholungsgefahr mehr bestehen, da der Kaufvertrag letztlich rückabgewickelt wurde und der Verfügungsbeklagte keine Lieferung mehr fordert. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ähnliche Geschäfte zwischen den Parteien stattfinden und sodann eine kerngleiche Drohung erneut erfolgen würde, so dass die hohen Anforderungen an die Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht erfüllt sind.
Ein Verfügungsgrund liegt vor. Erst durch die E-Mail vom 02.07.2009 lag eine Nötigungshandlung vor. Der hingegen gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ging am 10.07.2007 bei Gericht ein, so dass der Verfügungskläger sich auch im Rahmen der Rechtsverfolgung nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen muss, er habe durch zögerliche Antragstellung gezeigt, dass die Sache nicht eilbedürftig sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung (§§ 936, 929 Abs. 1 ZPO) und ist daher mit der Verkündung sofort vollstreckbar, auch wegen der Kosten (Vollkommer, a. a. O., § 925, Rn. 9)
Streitwert: 10.000,00 EUR
Quelle: openJur 2009, 1073
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