Sozialen Netzwerken -wie Facebook, Instagram, TikTok, Twitter, Youtube, etc.- ist es nicht gestattet, das Konto eines Benutzers ohne rechtfertigenden Grund zu sperren. Auch wenn die Betreiber auf ihren Plattformen ein gewisses "Hausrecht" genießen, dürfen sie nicht willkürlich mit ihren Nutzern umgehen. Allgemeine Nutzungsbestimmungen, die eine Sperrung eines Kontos auch ohne Grund vorsehen, sind daher unangemessen und somit unwirksam (AG Saarlouis, Urteil vom 1.4.20 - 25 C 1233/19).
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Nichtamtliche Leitsätze des AG Saarlouis (Urteil vom 1.4.20 - 25 C 1233/19):
- "Voraussetzung für die Sperre eines Benutzerkontos auf einer Internetplattform ist, dass der Ausschluss sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich ist."
- "Nutzungsbedingungen, wonach der Plattformbetreiber berechtigt ist, Nutzer ohne Angabe von Gründen von der Plattform auszuschließen, ist auf Grund Verstoßes gegen § BGB § 307 Abs. BGB § 307 Absatz 1 S. 1 BGB unwirksam."
Die Entscheidung (AG Saarlouis, Urteil vom 1.4.20 - 25 C 1233/19) gibt es hier:
Tenor
- Der Beklagte wird verurteilt, die Sperrung des Benutzerkontos des Klägers mit dem Pseudonym „J(...) P(...)“ vom 9.3.2018 auf der Plattform des Beklagten mit dem Namen GVMP, erreichbar unter www.gvmp.de, aufzuheben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Der Streitwert wird auf 500 € festgesetzt.
Sachverhalt
Entfällt gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zum überwiegenden Teil zulässig und begründet.
1.
Die Klage ist lediglich im Leistungsantrag zulässig.
Der Kläger hat zunächst kein eigenständiges Feststellungsinteresse dahingehend, dass der zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag nicht durch (konkludente) Kündigung durch die Beklagte beendet wurde, da er durch den parallel gestellten Leistungsantrag sein Rechtsschutzziel bereits erreichen kann.
Ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine durch Leistungsklage nicht oder noch nicht zu behebende gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht; hier dadurch, dass der Beklagte den Fortbestand des Rechtsverhältnisses über den 9.3.2018 hinaus bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Unsicherheit zu beseitigen (BGH MDR 86, 743 ; Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rz. 7 zu § 256).
Hiervon ausgehend ist ein Rechtsschutzinteresse bezüglich des Feststellungsantrages gerade nicht gegeben. Zwar bestreitet der Beklagte den Fortbestand des Nutzungsvertrag über den 9.3.2018 hinaus, jedoch kann auch die Zuerkennung des Leistungsanspruchs, d. h. die Aufhebung der Sperrung des Benutzerkontos des Klägers zum gewünschten Erfolg führen, da eine Kündigung - der Beklagte behauptet eine konkludente Kündigung durch Sperrung des Benutzerkontos - gerade nicht erfolgt ist.
2.
Die Klage ist im Leistungsantrag auch begründet.
Der zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag wurde durch die Sperrung des Benutzerkontos am 9.3.2018 durch den Beklagten nicht beendet.
a. Zunächst bestand zwischen den Parteien ein Nutzungsvertrag. Der Kläger hat, wie er substantiiert vorgetragen hat, sich am 3.8.2017 auf der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Internetplattform „www.gvmp.de“ registriert, ein Benutzerkonto mit dem Benutzernamen „J(...) P(...)“ angelegt und in der Folgezeit den Account genutzt. Durch das Freischalten des Benutzerkontos bzw. Accounts durch den Beklagten ist gemäß § 145 ff. BGB ein Nutzungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen.
Der Beklagte hat zwar bestritten, dass der Account auch wirklich dem Kläger zustehe; ihm sei nur das Geburtsdatum und die E-Mail-Adresse bekannt, kein zugehöriger Name oder weitere Daten. Der Kläger hat jedoch einen Screenshot des Benutzerprofils zur Akte gereicht, wel¬chen er nur nach Eingabe der Zugangsdaten fertigen konnte. Weitere Aktionen sind, da der Zugang gesperrt ist, derzeit auch nicht möglich. Für das Gericht hat der Kläger durch Einrei¬chung des Screenshots in einer § 286 ZPO genügenden Art und Weise dargelegt, dass das streitgegenständliche Benutzerkonto auch tatsächlich ihm zuzuordnen ist.
b. Der Nutzungsvertrag wurde nicht durch (konkludente) Kündigung durch den Beklagten beendet.
Dem Beklagten stand kein Recht zu, dass zwischen den Parteien bestehende Dauerschuldverhältnis gemäß § 314 Abs. 1 BGB zu kündigen.
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung war dieser nicht berechtigt, nach Belieben einzelne Benutzer von seiner Internetplattform auszuschließen.
Auch wenn der zwischen den Parteien bestehende Vertrag dienstvertragliche Elemente aufweist, gibt § 626 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Nutzungsbedingungen, in denen es wörtlich heißt: „wir erhalten uns ebenso das Recht vor, Benutzer ohne angaben von Gründen auf unserer Plattform zu sperren und zu entfernen“ dem Beklagten nicht das Recht, Nutzer nach Belieben auszuschließen.
Eine voraussetzungslose Sperre des Benutzerkontos ist nicht möglich (so auch Landgericht Frankfurt, Urteil vom 14. 5. 2018, 2-03 O 182/18).
Hinsichtlich des Betretens von Gebäuden ist anerkannt, dass der Eigentümer grundsätzlich frei ist, zu entscheiden, wem er Zutritt zu seinem Eigentum gewährt. Anders verhält es sich jedoch, wenn er zum Beispiel ein Geschäft für den allgemeinen Publikumsverkehr eröffnet und damit zum Ausdruck bringt, dass er an jeden Kunden Leistungen erbringen will. Er erteilt in diesen Fällen generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall eine Zutrittsbefugnis, solange und soweit der Besucher, insbesondere durch Störungen des Betriebsablaufes, keinen Anlass gibt, ihn von dieser Befugnis wieder auszuschließen (BGH, NJW 1994,188 folgende mit weiteren Nachweisen). Unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entsteht eine Bindung des Eigentümers an die Zutritt, die es ihm verbietet, sein Hausrecht willkürlich auszuüben (Christensen, Taschenkontrolle im Supermarkt und Hausverbot, JuS 1996,873).
Nicht anders verhält es sich hier: der Beklagte richtet sein Angebot, unentgeltlich seine Internetplattform zu nutzen, an alle Besucher des Internets. Besondere Zugangskontrollen finden, abgesehen von der Registrierung zur Plattform unter Eingabe eines Passworts, bei der, wie der Beklagte selbst vorgetragen hat, nicht einmal Klarnamen vonnöten sind, sondern lediglich die Angabe von Geburtsdatum und E-Mail-Adresse, nicht statt.
Der zwischen dem Nutzer und dem Plattformbetreiber geschlossene Vertrag beinhaltet folg¬lich Schutzpflichten des Betreibers, § 241 Abs. 2 BGB. Im Rahmen dieser Schutzpflichten sind im Wege der mittelbaren Drittwirkung die Grundrechte des Betroffenen zu berücksichtigen, was insbesondere dazu führt, dass der Nutzer grundsätzlich ohne Furcht vor sperren zulässige Aktionen auf der Plattform vornehmen darf. Voraussetzung für eine Sperre ist daher, dass der Ausschluss sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich ist (Landgericht Frankfurt aaO).
Der zitierte Passus der Nutzungsbedingungen, wonach der Beklagte berechtigt sein soll, Nutzer ohne Angabe von Gründen von Plattform auszuschließen, ist aufgrund Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Bei den zitierten Nutzungsbedingungen handelt es sich ohne weiteres um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, da diese für alle
abgeschlossenen Nutzungsverträge gelten und vorformuliert vom Beklagten gestellt werden. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ergibt sich offensichtlich daraus, dass die zitierte Formulierung
dem Betreiber der Plattform ermöglicht, nach eigenem Gutdünken ohne Vorliegen sachlicher Gründe Nutzer auszuschließen.
Dass es sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein unentgeltliches handelt, spielt hierbei keine Rolle; die Geltung der Regelungen zu allgemeinen
Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. BGB differenzieren nicht nach der Art des Vertrages, gelten mithin für alle Verträge, in denen Vertragsbedingungen vorformuliert gestellt werden.
Ein sachlicher, den Ausschluss rechtfertigender Grund liegt indes nicht vor.
Der Beklagte hat hierzu lediglich vorgetragen, die Kündigung sei aufgrund Fremdwerbung erfolgt, auch nach Hinweis wurde dieser Vortrag nicht weiter substantiiert. Es ist hiernach völlig unklar durch welches konkrete Verhalten der Kläger wann Fremdwerbung betrieben haben soll. Weitere eine Kündigung rechtfertigende Gründe sind nicht vorgetragen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Den Feststellungsantrag kommt, da er im Leistungsantrag aufgeht, kein streitwerterhöhender Charakter zu, so dass sich auch eine einheitliche Kostenquote ergibt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Quelle: MMR 2020, 876; MMR 2021, 92
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Anna- Lena Nitzlnader (Donnerstag, 11 März 2021 20:04)
Bitte entspären
Leeann052 (Donnerstag, 20 Mai 2021 15:55)
Ich würde einfach so gesperrt
Antwort zu #1 und #2 (Dienstag, 25 Mai 2021 16:01)
Hallo,
ich bitte um Beachtung, dass wir keine Plattformbetreiber sind, sondern lediglich als Rechtsanwälte Mandaten vertreten, deren Profil ebenfalls gesperrt wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Nelke
Rechtsanwalt