"Gekaufte" Bewertungen müssen gekennzeichnet werden, andernfalls ist eine Täuschung des Verbrauchers anzunehmen. Das LG Frankfurt am Main stellte nun fest, dass auch Amazon es
"verabsäumte", auf www.amazon.de veröffentliche Käuferrezensionen, die gegen ein Entgelt erfolgten, tranparent darzustellen. Es verbot Amazon daraufhin diese Form der Veröffentlichung jener
Kundenbewertungen. Ganz nebenbei stellte das Gericht auch fest, dass "gekaufte Rezensionen" auch bei der Anzeige der Gesamtsternebewertungen anzubringen sind (siehe LG Frankfurt
am Main, Urteil vom 21.09.21 - 3-06 O 26/21).
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Zum Sachverhalt: "Gekaufte Fakebewertungen" auf Amazon!
Dass Rezensionen im Internet stets mit Bedacht zu lesen sind, dürfte hinreichend bekannt sein. Nicht selten werden nämlich Bewertungen von Händler in Auftrag gegeben und nicht selten wird dieser Umstand vor den Verbrauchern dann verheimtlicht.
Derartige "gefälschte" Bewertungen finden sich natürlich auch auf www.amazon.de. Ausweislich eigener Bekunden engagiert sich Amazon stark gegen solche Fakebewertungen. Hierzu schreibt Amazon selbst wie folgt:
Was Amazon jedoch verschweigt ist, dass sie selbst derartige Programme unterhalten und/oder unterhielten, mittels dessen Kunden "Entgelt" für Bewertungen erhalten. Ein solches Programm ist das sogenannten "Early Review Program". Dieses bot Amazon außerhalb Deutschlands in anderen Ländern an. Demnach haben Kunden für das Rezensieren eines gekauften Produkts einen Gutschein in Höhe von 1-3 $ erhalten.
Über "Rezensionen aus anderen Ländern" zeigt Amazon diese Bewertungen auch Deutschen Kunden an. Mehr noch: die Bewertungen fließen in die Berechnung der Gesamtsterneanzahl ein.
Eine Kennzeichnung dieser Bewertungen wird erst erstsichtlich, wenn Kunden sich die Mühe machen, diese manuell zu suchen. Eine Suchfunktion, sich diese Bewertungen gezielt anzeigen zu lassen, fehlt nämlich. Die Kennzeichnung lautet dann einfach schlicht: "
". Dass es sich hierbei um eine gekaufte Rezension handelt, drängt sich anhand dieser Formulierung nicht auf. Wohl deswegen wird neben dieser Kennzeichnung auch ein Link zu einem Informationstext veröffentlicht, der diese " dann genauer erklärt. Das ganze sieht so aus:Sofern man diesen Link anklickt, öffnet sich ein englischsprachiger Text. Eine deutsche Fassung gibt es ebenso wenig, wie eine Übersetzungsmöglichkeit:
LG Frankfurt am Main: Bewertungen aus dem "Early Review Program" sind auf Amazon nicht genügend gekennzeichnet und daher als Verbrauchertäuschung unzulässig!
Unsere Mandantin duldet diese Irreführung nicht und beauftragte uns, hiergegen vorzugehen. Da Amazon sich vorgerichtlich verweigerte, beantragten wir bei dem Landgericht Frankfurt am Main, den Erlaß einer einstweiligen Verfügung.
Das Gericht teilte unsere Rechtsauffassung und erließ die einstweilige Verfügung wie folgt:
Wie üblich wurde die einstweilige Verfügung nicht begründet. Amazon legte darauf hin Widerspruch und argumentierte gegen die Entscheidung des Gerichts. Es nutzte nichts, das Gericht hat die einstweilige Verfügung sodann bestätigt.
Hierzu führte es aus:
"Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Verbraucher vertrauen vielfach Bewertungen durch andere Verbraucher und machen hiervon ihr Kaufverhalten abhängig. Dabei geht der Verkehr bei Produktbewertungen grundsätzlich davon aus, dass die Bewertungen ohne Gegenleistung erstellt werden."
- LG Frankfurt a.M.,Urteil vom 21.09.2021 - 3-06 O 26/21
Das Urteil des LG Frankfurt a.M. (Urteil vom 21.09.2021 - 3-06 O 26/21) gibt es hier:
Tenor:
- Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - einstweilige Verfügung - vom 18.05.2021, Az. 2-06 0 136/21 wird aufrechterhalten mit der Maßgabe, dass dem Tenor bezüglich der Unterlassung angefügt wird „wie aus dem Angebot S. 26-34 der Antragsschrift ersichtlich."
- Die weiteren Kosten des Verfahrens haben die Verfügungsbeklagten zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Kundenbewertungen im Rahmen des Early Reviewer Programs der Verfügungsbeklagten auf der Onlineplattform www.amazon.de.
Die Verfügungsklägerin bietet auf ihrer Internetseite XXX ihren Kunden gegen Entgelt die Vermittlung von Kundenrezensionen an. Bei diesen Kunden handelt es ausschließlich um Händler auf Online-Verkaufsplattformen. Die Kunden können dabei Kundenbewertungen für ihre bereits bestehenden und/oder neuen Produkte erhalten. Zu dem verkaufte sie unter dem Namen XXX als Händlerin XXX und bot diese Produkte früher auf der Website der Verfügungsbeklagten zu 1) www.amazon.de an. Später wurde ihr Verkäuferprofil gesperrt und die Verfügungsklägerin vom Online Handel auf www.amazon.de ausgeschlossen.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist Verkäuferin der mit „Verkauf und Versand durch Amazon" oder unter dem Handelsnamen „Warehouse Deals" auf www.amazon.de angebotenen Produkte. Die Verfügungsbeklagte zu 2) als Schwestergesellschaft der Verfügungsbeklagte zu 1) betreibt die Verkaufsplattform www.amazon.de.
Anhand eines Gesamtsternebewertungssystems werden die Produkte auf der Plattform www.amazon.de bewertet. Kunden können Produkte bewerten, indem sie zwischen 1-5 Sterne abgeben und/oder einen Bewertungstext verfassen. Diese Bewertungen werden sodann veröffentlicht und den Verbrauchern frei zugänglich gemacht. Das Bewertungssystem erfasst gleichermaßen deutsche wie globale Bewertungen, die Amazon-Kunden weltweit für Produkte vergeben. Diese Bewertungen nehmen Einfluss auf die Gesamtsternebewertung eines jeden Produktes. Bezüglich des genauen Ablaufes der Gesamtbewertung der Produkte auf www.amazon.de wird auf die Antragsschrift BI. 5 R ff. d. A. Bezug geommen.
Außerdem führten die Verfügungsbeklagten ein sog. ,,Early Reviewer Program" auf www.amazon.de. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieses Programm mittlerweile ein gestellt wurde. Danach konnten ausländische Rezensenten gegen Entgelt oder Gutschein eine Kundenbewertung für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder JP-Marketplace gekauft wurden, abgeben. Bei diesen Early Reviewer Bewertungen handelte es sich um bezahlte Werberezensionen. Diese Bewertungen fallen unter die globalen Bewertungen, die den deutschen Kunden auf www.amazon.de angezeigt werden. Die Early Reviewer Bewertungen werden bei dem Gesamtsterneergebnis für die jeweiligen Produkte berücksichtigt. Auch die vor der behaupteten Einstellung des Programms abgegebenen Bewertungen fließen nach wie vor in das Gesamtergebnis ein.
Die Early Reviewer Bewertungen werden als „Early Reviewer Belohnung" gekennzeichnet. Mithilfe einer eingeklammerten Verlinkung „Was ist das" (81. 15 R d. A.) gelangt der Verbraucher auf eine englischsprachige Seite, die eine Early Reviewer Bewertung erklärt (BI. 12 d. A.). Eine deutsche Übersetzung ist dort nicht aufgeführt. Die Verbraucher zum einen nicht die Möglichkeit herauszufinden, ob für ein bestimmtes Produkt eine Early Review Bewertung abgegeben wurde und zum anderen, wie viele Early Reviewer Bewertungen für ein bestimmtes Produkt bereits abgegeben wurden. Zudem besteht für die Nutzer der Amazon-App nicht die Möglichkeit, Informationen über die Early-Reviewer Bewertungen zu erhalten. Ein weiterführender Link zu einer englischen Informationsseite ist nicht aufrufbar.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.04.2021 (81. 44 ff. d. A.) mahnte die Verfügungsklägerin erfolglos die Verfügungsbeklagten ab. Eine Unterlassungserklärung gaben die Verfügungsbeklagten nicht ab.
Die Parteien führten bereits ein einstweiliges Verfügungsverfahren (Az. 2-06 192/19) mit vertauschten Parteirollen. Dabei stritten die Parteien ebenso um bezahlte Kundenbewertungen, die als solche für Verbraucher nicht kenntlich gemacht wurden. In diesem Fall er ließ das Gericht eine einstweilige Verfügung zulasten der hiesigen Verfügungsklägerin.
Nach erfolgtem Widerspruch wurde die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 23.10.2019 aufgehoben.
Die Verfügungsklägerin macht einen Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 5a Abs. 6 UWG geltend, da es sich bei den Early Reviewer Bewertungen um bezahlte Rezensionen handele, die für die Verbraucher als Werbung zu kennzeichnen seien.
Die Verfügungsklägerin behauptet, nach Sperrung des Accounts der Verfügungsklägerin seitens der Verfügungsbeklagten finde noch ein Abverkauf ihrer Produkte statt.
Weiter behauptet sie, der fehlende Hinweis auf diese bezahlten Rezensionen habe dazu geführt, dass für deutsche Verbraucher nicht erkennbar gewesen sei, dass die Gesamtbewertung eines Produktes auch durch solche bezahlten Rezensionen beeinflusst werde.
Die insoweit generierten Bewertungen seien nach wie vor auch als Teil kumulierter Gesamtbewertungsdarstellungen veröffentlicht (Screenshots Bl. 106 f). Auch die Erklärung zum Programm in englischer Sprache nach wie vor aufrufbar (Screenshot Bl. 109). Jedenfalls bestehe eine Wiederholungsgefahr mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Auf den Antrag der Verfügungsklägerin vom 12.05.2021 hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main im Beschlusswege durch Verfügung vom 18.05.2021, Az. 2-06
0 136/21, es den Antragsgegnern untersagt, geschäftlich handelnd
bei Nutzung des „Early Reviewer Programs" auf der Verkaufsplattform www.amazon.de Kundenrezensionen, die von Personen erstellt wurden, die hierfür bezahlt werden und /oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu Jassen, wenn diese Kundenrezensionen als Teil kumulierter Kundenbewertungen -wie insbesondere als Teil eines Gesamtbewertungsergebnisses- zu einem Produkt dargestellt werden, ohne in deutscher Sprache darauf hinzuweisen,
a) dass die Kundenrezensionen beauftragt wurden und die Rezensenten dafür eine Bezahlung und/oder einen anderen vermögenswerten Vorteil haben
und
b) dass sowie in welchem Umfang in den kumulierten Kundenbewertungen auch jene Kundenrezension enthalten sind, die beauftragt wurden und für die die Rezensenten eine Bezahlung und/oder einen anderen vemögenswerten Vorteil erhalten haben.
Die Verfügungsbeklagte zu 1) hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.06.2021 Widerspruch gegen den ihr am 31.05.2021 zugestellten Beschluss - einstweilige Verfügung - eingelegt. Die Verfügungsbeklagte zu 2) hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.06.2021 Widerspruch gegen den ihr am 15.06.2021 zugestellten Beschluss - einstweilige Verfügung - eingelegt.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
den Widerspruch zurückzuweisen und die erlassene einstweilige Verfügung zu bestätigen mit der Maßgabe, dass dem Verfügungsantrag aus der Antragsschrift vom 12.05.2021 angefügt werden solle „wie aus dem Angebot S. 26-34 der Antragsschritt ersichtlich."
Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 2) beantragen,
den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.05.2021 zum Az. 2-06 O 136/21 aufzuheben und den auf seinen Erlass gerichteten Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagten meinen, der Antrag genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es sei nicht klar, was mit „bei Nutzung des Early Reviewer Programs" gemeint sei.
Zudem handele die Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 c Abs. 1 UWG, da sie sachfremde Ziele verfolge. Mangels Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses gehe es der Verfügungsklägerin allein darum, ein Druckmittel gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) zu erlangen, das sie einsetzen könne, sobald ihr das Landgericht Hamburg ihr Angebot untersage.
Ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe weder aufgrund des Angebots gleichartiger Waren noch durch das Betreiben einer Bewertungsplattform. Die Verfügungsklägerin verkaufe nach Schließung ihres Kundenkontos „XXX" seit Mai XXX keine Waren mehr.
Das Early Reviewer Program sei bereits im März 2021 eingestellt worden, hierüber seien die Kunden informiert worden (siehe Anlage AG 3).
Die Verfügungsbeklagten behaupten, ein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG wegen Nichtkennzeichnung der Early Reviewer-Rezensionen liege nicht vor, da sich der kommerzielle Zweck aus den Umständen ergebe, nämlich dem Hinweis „Early Reviewer-Belohnungen". Zudem könne der Kunde unter „Was ist das?" erfahren, dass der Rezensent einen Gut schein von $1 bis $ 3 erhält.
Der Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks komme keine geschäftliche Relevanz zu, da durch die Belohnung kein Kaufanreiz geschaffen werde. Die Auswahl der bewertenden Personen, im Early Reviewer Program sei zufällig. Auch seien die Bewertungen, wenn es eine Gegenleistung dafür gebe, im Schnitt schlechter als andere Bewertungen.
Auch eine Irreführung in Bezug auf das Gesamtergebnis liege nicht vor. Der Verkehr werde dieses aufgrund der Einblendung neben Produkt und Preis nicht als Äußerung eines Dritten, sondern als Äußerung von Amazon begreifen. Schließlich werde der Kunde auch nicht in der Erwartung getäuscht, dass das Gesamtergebnis nur auf Bewertungen beruht, die zum einen auf einer Kaufentscheidung des Rezensenten beruhen und zum anderen unbeeinflusst durch Dritte erfolgen, insoweit nehmen die Verfügungsbeklagten Bezug auf die Entscheidung des LG Köln vom 29.03.2021 (Anlage AG 4).
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung vom 18.05.2021 war auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, dies führte nach Konkretisierung des Verfügungsantrags zu ihrer Bestätigung.
Der Verfügungsantrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem die Verfügungsklägerin den Antrag dahingehend konkretisiert hat, dass sie Bezug nimmt auf das Angebot S. 26-34 der Antragsschrift. Damit ist der Streitgegenstand ausreichend konkret benannt.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig.
Dem Antrag steht nicht der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne von § 8 c Abs. 1 UWG entgegen.
Die im Rahmen der bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Gesamtwürdigung der Umstände rechtfertigt nicht die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Unstreitig führen die Parteien wegen des Vorwurfs unzulässiger bezahlter Rezensionen zwei Hauptsacheverfahren vor den Landgerichten Hamburg und Köln. Dass das Verfahren umgekehrten Rubrums vor dem Landgericht Hamburg mit einem Unterliegen der Verfügungsklägerin enden wird und sie daher das hiesige Verfahren als „Druckmittel" gebrauche, kann nicht festgestellt werden. Bereits der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss. Zudem sind keine Verhandlungen zwischen den Parteien ersichtlich, in denen die Verfügungsklägerin das hiesige Verfahren als „Druckmittel" benötigen würde für den Fall ihres Unterliegens vor dem Landgericht Hamburg.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet.
Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagten aus §§ 8 Abs. 1 und 3, 3 Abs. 1, 5a Abs. 6 UWG zu.
Die Verfügungsklägerin ist anspruchsberechtigt. Die Parteien sind Mitbewerberinnen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, da ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen ihnen besteht.
Ein Mitbewerber ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein solches Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2007, 978, 979 Rn. 16 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer). Ausreichend ist dabei, dass die Unternehmen auf dem gleichen Markt agieren, so dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen im Absatz stören kann, und zwar selbst dann, wenn sich die Kundenkreise und Angebote nur teilweise überschneiden (BGH a.a.O.).
Selbst in den Fällen, in denen lediglich der fremde Wettbewerb gefördert wird, kann von einem Wettbewerbsverhältnis ausgegangen werden. Dabei muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis, wenn sich die in Rede stehende Wettbewerbshandlung als Förderung fremden Wettbewerbs darstellt, zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen. Der Mitbewerber kann daher gegen den Fördernden vorgehen, wenn er durch die Förderung des dritten Unternehmens in eigene wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2020, 87, 89 Rn. 16).
Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Parteien Wettbewerber. Die Verfügungsklägerin betreibt eine Bewertungsplattform im Onlinehandel. Die Verfügungsbeklagte zu 2) stellt auf dem von ihr betriebenen Onlineverkaufsportal www.amazon.de ein Bewertungssystem zur Verfügung. Mit den dort veröffentlichten Bewertungen wird für die von der Ver fügungsbeklagten zu 1) angebotenen Produkte geworben, so dass deren Verkaufsabsatz gefördert wird.
Eine geschäftliche Handlung der Verfügungsbeklagten liegt vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da die Nutzung des Early Reviewer Programs der Verfügungsbeklagten zu 2) der Förderung des Verkaufsabsatzes der angebotenen Produkte der Verfügungsbeklagte zu 1) dient.
Die von der Verfügungsbeklagten bezahlten Bewerter im Rahmen des Early Review Programs haben den kommerziellen Zweck der Bewertung nicht hinreichend deutlich gemacht.
Bei den Early Reviewer Bewertungen handelt es sich um bezahlte Beiträge, da die aus gewählten Bewerter einen Gutschein von 1-3 $ erhalten haben, nachdem sie das Produkt gekauft und eine Bewertung abgegeben haben. Dass sie nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden und den Gutschein erst nach dem Kauf erhalten haben, schließt nicht aus, dass es sich um einen sog. „gekauften" Eintrag handelt. Ob der Bewerter sich selbst bewirbt oder von der Verfügungsbeklagten - wie von ihr behauptet - nach einem Zufallsprinzip ausgewählt wird, ist unerheblich. Auch kann es dahinstehen ob - nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten - Bewertungen gegen Entgelt im Schnitt schlechter ausfielen als nicht bezahlte Bewertungen. Der Inhalt der Bewertung ist für die Frage, ob der kommerzielle Zweck der Bewertung hinreichend deutlich gemacht wurde, ohne Bedeutung. Im Übrigen dürfte sich die Frage stellen, weshalb die Verfügungsbeklagten Produkttester bezahlt haben, wenn dies im Durchschnitt schlechtere Bewertungen nach sich zieht.
Das Veröffentlichen der bezahlten Kundenbewertungen verfolgt einen kommerziellen Zweck im Sinne von § 5a Abs. 6 UWG, da dies der Absatzförderung dienen sollte.
Dieser kommerzielle Zweck wird durch die Verfügungsbeklagten hier nicht ausreichend kenntlich gemacht. Ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher den kommerziellen Zweck nicht klar -und eindeutig erkennen kann (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 22.2.2019 - 6 W 9/19, WRP 2019, 643 Rn. 27). Abzustellen ist dabei auf den konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist die Sicht des durchschnittlich in formierten, situationsadäquat aufmerksam und verständigen Durchschnittsverbrauchers (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 39. Aufl., 2021, § 5a Rn. 7.24). Dem Verbraucher muss schon nach dem ersten Blick und ohne Bedenken erkennbar sein, dass der Handlung ein solcher Zweck zugrunde liegt (Köhler, a.a.O., Rn. 7.25). Außerdem muss der kommerzielle Zweck dem Verbraucher spätestens in dem Zeitpunkt erkennbar sein, in dem er eine geschäftliche Handlung oder zumindest eine damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidung treffen kann (Köhler, a.a.O., Rn. 7.26).
Bei dem streitgegenständlichen Onlineverkaufsportal der Verfügungsbeklagten wird bereits nach Eingabe eines Suchbegriffs der Verbraucher mit einer Gesamtbewertung der jeweiligen angezeigten Produkte konfrontiert. Schon zu diesem Zeitpunkt können daher die Bewertungen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher nehmen. Jedoch ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um eine bezahlte Bewertung handelt und woraus sich die Gesamtbewertung ergibt.
Erst durch ein weiteres Anklicken der Gesamtbewertung bzw. durch längeres Scrollen auf der Produktseite, kann der Verbraucher die Bewertungen einsehen. Dabei wird zwischen deutschen und globalen Bewertungen unterschieden, die jedoch alle nach einem nicht erkennbaren und dem Verbraucher nicht transparenten Maßstab in die Gesamtbewertung einfließen.
Insbesondere nicht erkennbar ist, besonders für den hier relevanten deutschen Verbraucher, worum es sich bei einer Early Reviewer Bewertung handelt. Diese Bewertungen fallen unter die globalen Bewertungen. Auf solche Bewertungen kann der Verbraucher nur durch genaues Durchforsten aller Bewertungen stoßen. Findet der Verbraucher nun eine solche Bewertung, wird er nicht deutlich darauf hingewiesen, dass es sich um eine bezahlte Bewertung handelt. Zwar hat der Verbraucher die Möglichkeit über die Verlinkung „Was ist das" herauszufinden, was eine solche Early Reviewer Bewertung genau ist. Jedoch gelangt der Verbraucher dabei nur auf eine englischsprachige Informationsseite. Zu dieser Informationsseite gelangt der Verbraucher erst nach längerer Auseinandersetzung mit der Produktseite, obwohl bereits beim ersten Erscheinen der Gesamtbewertung die Kaufentscheidung des Verbrauchers beeinflusst wird.
Es ist davon auszugehen, dass der Verkehr, insbesondere bei einem Kauf über das streitgegenständliche Verkaufsportal, nach einigen wenigen Minuten eine Kaufentscheidung über ein Produkt fällt und sich gerade nicht durch die verschiedenen Seiten über die Bewertungen klickt um herauszufinden, woraus sich die Gesamtbewertung ergibt und um was es sich bei einer Early Reviewer Bewertung handelt. Selbst wenn der angesprochene Verbraucher sich dafür Zeit nimmt, gelangt dieser nur auf eine englischsprachige Informationsseite. Die Möglichkeit, diesen Text mithilfe eines externen Programms in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen, genügt dem Erfordernis einer klaren und eindeutigen Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks nicht.
Für diejenigen Verbraucher, die über die App des streitgegenständlichen Onlineverkaufsportals nach Produkten suchen, steht eine Verlinkung zur Informationsseite über die Early Reviewer Bewertung nicht zur Verfügung.
Der Verpflichtung zur Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks steht auch nicht entgegen, dass sich dieser unmittelbar aus den Umständen ergibt. Der Verbraucher kann - wie oben ausgeführt - nicht auf den ersten Blick und ohne Zweifel erkennen, dass es sich bei den als „Early Reviewer Belohnungen" gekennzeichnete Bewertung um bezahlte Rezensionen handelt, die Einfluss auf die Gesamtbewertung der jeweiligen Produkte haben.
Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Verbraucher vertrauen vielfach Bewertungen durch andere Verbraucher und machen hiervon ihr Kaufverhalten abhängig. Dabei geht der Verkehr bei Produktbewertungen grundsätzlich davon aus, dass die Bewertungen ohne Gegenleistung erstellt werden. Zwar ist den Verbrauchern heutzutage bekannt, dass nicht jede Bewertung unbeeinflusst abgegeben wird. Trotzdem wird der Verbraucher weiterhin die Erwartung haben, dass der Bewerter für seine Bewertung keine Gegenleistung erhalten hat (OLG Frankfurt am Main, a.a.O., Rn. 27).
Die aufgrund der begangenen Verletzung vermutete Wiederholungsgefahr entfällt nicht durch die behauptete Einstellung des Programms. Den Vortrag der Verfügungsbeklagten unterstellt, das Early Review Program sei eingestellt worden, kann dies nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr führen. Eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse berührt die Wiederholungsgefahr nicht, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 39. Aufl., 2021, § 8 Rn. 1.51). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Verfügungsbeklagten haben zwar vorgetragen, das Programm beendet zu haben, da es sich „nicht hinreichend bewährt" habe. Gleichwohl fließen die bereits abgegebenen unzulässigen Bewertungen in das Gesamtergebnis mit ein. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass die Verfügungsbeklagten das Programm in geänderter Form wiederaufleben lässt, zumal sie ausweislich der Anlage AG 3 weiterhin Bewertungsinitiativen entwickelt.
Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ohne dass es eines besonderen Ausspruches bedarf. Urteile, durch die eine einstweilige Verfügung bestätigt wird, sind ohne Ausspruch - auch hinsichtlich der Kosten - vorläufig vollstreckbar (Vollkammer, in: Zöller ZPO, 32. Aufl., 2018, § 925 Rn. 6 ff.).
Den Beschlüsse als Druckversion gibt es hier:
(Anmerkung: Die vorbezeichneten Entscheidungen sind anonymisiert, um die Prozessbeteiligten unkenntlich zu machen. Sie sind noch nicht rechtskräftig.)
Die Entscheidung können Sie hier herunterladen:
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