OLG Hamm, Urteil vom 06. Februar 2013 – I-14 U 7/12


Nichtamtliche Leitsätze des Gerichts:

 

  1. Das durch eine heterologe Insemination / künstliche gezeugte Kind hat ein Recht auf Erteilung der Auskunft der eigenen genetischen Abstammung. Das Interesse des Spenderkindes ist nämlich höher zu bewerten als die Schutzbedürftigkeit des beklagten Reproduktionsmediziners / Arztes.
  2. Auf das Recht auf Abstammungskenntnis können die Eltern des Kindes für dieses nicht wirksam verzichten.
  3. Erst wenn der Arzt nach einer umfassenden Recherche zweifelfrei feststellte, dass die Unterlagen nicht mehr vorhanden sind, kann er sich auf den Einwand der Unmöglichkeit berufen.

Tenor

 

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Februar 2012 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.

 

Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über die genetische Abstammung der Klägerin zu erteilen. Er hat dabei auch Einsicht in vorhandene Unterlagen zu gewähren, aus denen sich die genetische Abstammung der Klägerin ergibt.

 

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

 

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Revision wird nicht zugelassen. Das Urteil beschwert die Parteien mit weniger als 20.000 €.

 

Gründe

A.

 

Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar:

 

Der Beklagte ist Gesellschafter und Mitbegründer der als GbR geführten Gemeinschaftspraxis O - Zentrum für Reproduktionsmedizin Essen (IVF-Zentrum). Das IVF-Zentrum ist eines der ältesten und größten Institute Deutschlands, das sich auf die Behandlung von Kinderlosigkeit spezialisiert hat, darunter auch mittels einer Fremdsamenspende, der sog. heterologen Insemination.

 

Im Jahre 1990 schlossen die Eheleute N und X Q einen Behandlungsvertrag mit dem IVF-Zentrum, der eine Behandlung von N Q mittels einer heterologen Insemination vorsah, die in der Folgezeit auch erfolgte. Nach dem Vertrag waren die Eheleute Q nicht berechtigt, Auskunft über die Identität der Samenspender zu verlangen, diese hatten anonym zu bleiben. Diese Anonymität hatte der Beklagte auch den Samenspendern zugesichert.

 

Die Klägerin wurde am 8. März 1991 als Tochter von N und X Q in C2 geboren. In der Berufungsinstanz ist von den Parteien unstreitig gestellt worden, dass die Klägerin aufgrund einer heterologen Insemination, die ihre Mutter im Juni 1990 im Rahmen der durch das IVF-Zentrum durchgeführten Behandlung erhalten hatte, gezeugt wurde.

 

Von ihrer Zeugung durch eine Fremdsamenspende will die Klägerin im September 2009 von ihrer Mutter erfahren haben. Sie wandte sich daraufhin an das IVF-Zentrum des Beklagten und erbat Auskünfte zu ihrer künstlichen Zeugung.

 

Mit Schreiben vom 07.10.2009 (Bl. 36 GA) nahm der Beklagte Stellung und verwies auf nicht erfüllte Voraussetzungen für eine Auskunftserteilung. Mit Email vom 13.10.2009 (Bl. 37-40 GA) und einem gleichlautenden Schreiben wiederholte die Klägerin ihr Auskunftsbegehren, erklärte ihre Bereitschaft, Kosten zu übernehmen und übersandte eine Einwilligung ihrer Eltern. Darüber hinaus suchte die Klägerin mehrfach, zuletzt im März 2010 in Begleitung einer Journalistin, die Praxisräume des IVF-Zentrums auf, ohne die begehrten Auskünfte zu erhalten.

 

Anfang des Jahres 2011 hat die Klägerin sodann Klage erhoben.

 

Die Klägerin möchte wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte Aufbewahrungs- und Auskunftspflichten hinsichtlich der sie betreffenden Behandlungsunterlagen habe. Sie hat bestritten, dass die Behandlungsunterlagen zwischenzeitlich vernichtet worden seien und der Beklagte die Identität ihres Samenspenders oder der für ihre Zeugung in Betracht kommenden Samenspender nicht mehr mitteilen könne.

 

Die Klägerin hat beantragt,

    

den Beklagten zu verurteilen, innerhalb einer angemessenen vom Gericht zu bestimmenden Frist Auskunft über die Identität des genetischen Vaters der Klägerin zu erteilen;

                        

für den Fall, dass die Auskunft nicht fristgerecht erfolgt: den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Geld zu verurteilen, deren Summe den Betrag von 2000,00 € nicht unterschreiten sollte;

                        

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der Vaterschaftstests zu übernehmen, die dadurch erforderlich werden, dass der Beklagte mehrere Personen benennt, die als mögliche genetische Väter der Klägerin in Betracht kommen.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte hat zunächst behauptet, die Behandlungsunterlagen, aus denen die Behandlung der Mutter der Klägerin hervorgehe, seien nicht mehr vorhanden. Sämtliche Behandlungsunterlagen aus den Jahren 1990 und 1991 seien nach Ablauf von 10 Jahren, mithin in den Jahren 2000 und 2001, vernichtet worden. Die Identität der damaligen Samenspender sei nicht mehr zu ermitteln. Es sei ihm daher nicht mehr möglich, die begehrte Auskunft zu erteilen. Zudem hat der Beklagte gemeint, der Vernichtung der Unterlagen habe in diesen Jahren keine Vorschrift entgegengestanden. Außerdem habe er eine ärztliche Schweigepflicht, die ihm eine Auskunftserteilung verbiete, weil er den Spendern seinerzeit Anonymität zugesichert habe.

 

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe im vorliegenden Fall keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Klägerin gegenüber den schutzwürdigen Belangen anderer Personen, hier sämtlicher möglicherweise in Betracht kommenden genetischen Väter, habe das Interesse der Klägerin zurück zu stehen. Den in Betracht kommenden Samenspendern stehe ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu, das ihr Interesse auf Wahrung ihrer Anonymität schütze. Dieses werde durch die in Frage stehende Auskunft beeinträchtigt. Dieser Rechtsposition sei gegenüber dem Recht der Klägerin auf Kenntnis der eigenen Abstammung aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG der Vorzug zu geben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft.

 

Sie hält die vom Landgericht vorgenommene Interessenabwägung für rechtsfehlerhaft. Das Landgericht habe den Stellenwert ihres Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung verkannt. Gegenüber diesem Recht sei das Recht der Samenspender auf Wahrung ihrer Anonymität nicht höher zu bewerten. Fehlerhaft sei die Interessenabwägung auch deswegen, weil die Interessen der Samenspender unbekannt seien und bereits deswegen nicht berücksichtigt werden könnten. Das Interesse des Beklagten, die Samenspender nicht zu nennen, sei gegenüber ihrem Auskunftsinteresse nicht schutzwürdig. Eine ärztliche Schweigepflicht bestehe insoweit nicht. Auf eine vom Beklagten zugesicherte Anonymität hätten die Samenspender nicht vertrauen können. Bereits nach den seinerzeit geltenden Richtlinien der Ärztekammer habe der Beklagte keine Anonymität zusichern können.

 

Zu Lasten der Klägerin könne es sich auch nicht auswirken, wenn der Beklagte die Daten mehrerer Spender offenbaren müsse, weil er der Mutter der Klägerin Sperma verschiedener Spender injiziert habe. Andernfalls laufe das auf eine Privilegierung von Ärzten heraus, die gegen das Verbot von Mischsperma verstießen.

 

Die in Frage stehenden Interessen der Klägerin habe das Landgericht nur unzureichend berücksichtigt. Sie wolle ihre eigene Herkunft erfahren. Dabei gehe es ihr nicht nur um die Möglichkeit, Kontakt zu ihrem Vater und möglichen Halbgeschwistern aufzunehmen, um ggfls. erbliche Krankheiten in Erfahrung zu bringen, sondern auch darum, andere vom dem Spender gezeugte Kinder ermitteln zu können, um der Gefahr einer inzestuösen Beziehung vorzubeugen.

 

Die weiteren Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch seien erfüllt. Ihre Mutter sei unmittelbar nach der Behandlung durch den Beklagten schwanger geworden, die Vaterschaft ihres zeugungsunfähigen rechtlichen Vaters müsse die Klägerin zuvor nicht anfechten, weil diese nur auf einer gesetzlichen Vermutung beruhe. Ihre Mutter und ihr gesetzlicher Vater seien zudem damit einverstanden, dass der Beklagte ihr den Namen der Samenspender mitteile.

 

Der Beklagte kenne die preiszugebenden Spenderdaten. Er bewahre die Daten der Samenspender seit der Praxisgründung auf. Eine zwischenzeitliche Vernichtung dieser Daten bestreitet die Klägerin und verweist auf ihre erstinstanzlichen Beweisantritte insoweit. Die Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung, so meint sie, habe der Beklagte zudem nicht substantiiert vorgetragen.

 

Nach im Senatstermin vom 12.12.2012 erteilten Hinweisen beantragt die Klägerin nunmehr,

 

das am 07.02.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Essen zum Geschäftszeichen 2 O 260/11 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, Auskunft über die Identität des genetischen Vaters der Klägerin zu erteilen. Er hat dabei auch Einsicht in die Unterlagen zu gewähren, aus denen sich die genetische Abstammung der Klägerin ergibt.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt wie folgt weiter vor:

 

Die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch der Klägerin seien nicht erfüllt. Die Interessen der Beteiligten seien im vorliegenden Fall so abzuwägen, dass er, der Beklagte, nicht zur Auskunft verpflichtet sei. Mit einer Auskunft verletze er seine ärztliche Schweigepflicht und setze sich strafrechtlichen und berufsständischen Sanktionen aus. Zudem müsse er den Erzeuger der Klägerin zunächst aus zwei in Frage kommenden Samenspenden unterschiedlicher Spender ermitteln, um der Klägerin den richtigen Spendernamen nennen zu können. Für das Einbeziehen eines unbeteiligten Samenspenders gebe es keine Rechtsgrundlage. Zudem beeinträchtige ein solches Vorgehen die zu schützende Rechtsposition des für die Zeugung nicht verantwortlichen Samenspenders.

 

Die Klage sei auch deswegen unbegründet, weil der Beklagte die verlangte Auskunft nicht mehr erteilen könne. Er behauptet, das sei unmöglich. Persönlich habe er die Identität des Samenspenders nicht gekannt. Anhand von Unterlagen sei sie in seiner Praxis nicht mehr zu ermitteln. Das habe er dem Senat bei seiner Anhörung im Einzelnen erläutert. Den noch vorhandenen Behandlungsunterlagen sei zu entnehmen, dass Samenspender mit den Nrn. 181 und 261 als Erzeuger der Klägerin in Betracht kämen. Welchen Spendern diese Nummern zuzuordnen seien, sei nicht mehr feststellbar, da die diesbezüglichen Unterlagen fehlten. Die Zeugin C habe das glaubhaft bestätigt. Der in der Praxis tätige Arzt Dr. y habe seinerzeit die Spendernamen schriftlich festgehalten. Auch er erinnere sich nicht mehr an die Namen oder das Äußere der Spender mit den Nrn. 181 und 261 (Beweis: Zeugnis  y).

 

Der Senat hat die Parteien angehört und durch uneidliche Vernehmung der Zeugin C erhoben. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung vom 12.12.2012 (Bl. 231-239 GA), wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die bezeichneten Urkunden und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

B.

 

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

 

Der Beklagte schuldet die verlangte Auskunft über die genetische Abstammung der Klägerin. Er hat dabei auch Einsicht in vorhandene Unterlagen zu gewähren, aus denen sich die genetische Abstammung der Klägerin ergibt. Die insoweit im Senatstermin vom 12.12.2012 gestellten Klageanträge sind zulässig (I.).

 

Die Klage ist auch begründet. Die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruches gemäß § 242 BGB sind erfüllt. Die vorzunehmende Abwägung der zu berücksichtigen Rechtspositionen bestätigt den Anspruch der Klägerin (II.).

 

Dem Beklagten ist die Auskunftserteilung nicht unmöglich. Eine Unmöglichkeit ist weder bewiesen noch so vorgetragen, dass eine weitere Beweisaufnahme geboten ist (III.).

 

I.

 

Die Klageanträge, mit denen die Klägerin im Senatstermin vom 12.12.2012 verhandelt hat, sind zulässig.

 

Die Klägerin hat ihr Begehren erweitert, soweit die im Senatstermin zur Auskunftserteilung gestellten Anträge von den erstinstanzlichen Anträgen oder den insoweit in der Berufungsbegründung angekündigten Anträgen abweichen. Sie verlangt nunmehr eine sofortige Auskunftserteilung und die Einsichtnahme in die der Auskunftserteilung zugrunde liegenden Unterlagen. Das ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen. § 533 ZPO ist insoweit nicht anzuwenden (vgl. BGH IX ZR 160/09, NJW-RR 2010, 1286 (1287) Tz. 6). Selbst wenn man in den geänderten Anträgen eine Klageänderung sehen würde, wäre diese gemäß § 533 ZPO zulässig. Die geänderten Anträge sind sachdienlich, weil sie das Klagebegehren präziser erfassen und der Klärung des Streitstoffes dienen. Zu ihrer Beurteilung sind auch keine im Sinne von § 529 ZPO neuen Tatsachen festzustellen.

 

Der Antrag, der Klägerin Einsicht in vorhandene Unterlagen zu gewähren, aus denen sich ihre genetische Abstammung ergibt, ist als Klageantrag bestimmt genug. Die in Betracht kommenden Unterlagen kann die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht genauer bezeichnen als dadurch, dass sie einen inhaltlichen Bezug zur ihrer Abstammung der Klägerin haben müssen. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes ist diese Unsicherheit in der Bezeichnung der Unterlagen hinzunehmen (vgl. BGH I ZR 168/00, NJW 2003, 668 (669)).

 

In Bezug auf den im Senatstermin nicht mehr gestellten Feststellungsantrag hat die Klägerin ihre Berufung zurückgenommen. Eine (teilweise) Rücknahme der Berufung ist zwar nicht ausdrücklich erklärt worden. Sie ergibt sich aber daraus, dass die Stellung des Feststellungsantrages unterblieb, nachdem der Senat auf die insoweit fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen hatte. Dem sollte von Seiten der Klägerin mit der unterlassenen Antragstellung Rechnung getragen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Senatstermin zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin den Feststellungsantrag nicht weiterverfolgen will.

 

II.

 

Der Auskunftsantrag der Klägerin hat Erfolg. Der Beklagte ist gemäß § 242 BGB zur Erteilung der verlangten Auskunft verpflichtet.

 

1. Seine gegenüber der Klägerin bestehende Auskunftspflicht folgt aus der Zeugung der Klägerin auf der Grundlage des mit den Eheleuten Q im Jahre 1990 abgeschlossenen Behandlungsvertrages. Der Behandlungsvertrag ist zwar zwischen den Eheleuten Q und der Gemeinschaftspraxis O- Zentrum für Reproduktionsmedizin (IVF-Zentrum), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, abgeschlossen worden. Als Gesellschafter des IVF-Zentrums kann der Beklagte aber analog § 128 HGB persönlich auf Erfüllung der Verpflichtungen der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.

 

2. Die vom IVF-Zentrum mit den Eheleuten Q vereinbarte Anonymität der Samenspender kann der Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten. Im Verhältnis der Parteien stellt der Behandlungsvertrag insoweit einen zivilrechtlich unzulässigen Vertrag zu Lasten der Klägerin als Dritter dar (so auch Hahn in BeckOK, Stand 01.05.2012, § 1591 Rz. 22; ähnlich Rauscher in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2011, Anh. zu § 1592 Rz. 15, 16; im Ergebnis ebenso Wellenhofer in Münchener Kom., 6. Aufl. 2012, Vorbem. §§ 1591ff Rz. 33ff).

 

3. Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruches liegen vor.

 

Gem. § 242 BGB besteht eine Auskunftspflicht, wenn es die zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten bestehende Rechtsverbindung mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB-Kom., 71. Aufl. 2012, § 260 Rz. 4).

 

Wie unter 4. im Einzelnen auszuführen ist, hat die Klägerin ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung, das den Beklagten als Gesellschafter des IVF-Zentrums dazu verpflichtet, ihr die Identität ihres genetischen Vaters mitzuteilen. Zwischen den Parteien ist im Senatstermin unstreitig gestellt worden, dass die Klägerin durch die im IVF-Zentrum durchgeführte heterologe Insemination und nicht anders, z.B. auf natürlichem Wege, gezeugt wurde.

 

Ausgehend hiervon sind die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch erfüllt.

 

Zwischen dem IVF-Zentrum und der Klägerin besteht eine Rechtsbeziehung. Die Klägerin ist in den Geltungsbereich des Behandlungsvertrages zwischen dem IVF-Zentrum und den Eheleuten Q einbezogen, der Vertrag wirkt zu ihren Gunsten (§ 328 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wurde mit einer vom IVF-Zentrum ermöglichten heterologen Insemination gezeugt und war mithin „Gegenstand“ des Behandlungsvertrages. Aus dem Vertrag ergaben sich auch Leistungspflichten, die das IVF-Zentrum der Klägerin gegenüber zu erfüllen hatte. Beispielsweise war das IVF-Zentrum gehalten, den gesundheitlichen Zustand der Samenspender zu überprüfen, bevor eine Spende zur heterologen Insemination freigegeben wurde, damit ein gesundes Kind gezeugt werden konnte. Diese Überprüfung - die im IVF-Zentrum auch erfolgt ist - lag im Interesse der Eheleute Q als Kindeseltern und insbesondere auch im Interesse der Klägerin als dem zu zeugenden Kind. Deswegen ist es gerechtfertigt, den Vertrag in dem Sinne auszulegen, dass das IVF-Zentrum auch gegenüber der Klägerin vertragliche Pflichten zu erfüllen hatte und der Vertrag insoweit zu ihren Gunsten wirkt. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der von dem IVF-Zentrum zu erbringenden Leistungen noch nicht gezeugt war, weil auch einem nicht erzeugten Kind durch einen Vertrag zugunsten Dritter Rechte zugewendet werden können (Palandt/Ellenberger, BGB-Kom. 71. Aufl. 2012, § 1 Rz. 9).

 

Die Klägerin kann, in entschuldbarer Weise, aufgrund der im Behandlungsvertrag vereinbarten Anonymität des Samenspenders ihre Abstammung nicht kennen. Steht der Klägerin - wie noch auszuführen ist - ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung zu, kann die mit diesem verbundene Auskunftspflicht nur vom IVF-Zentrum erfüllt werden. Der Behandlungsvertrag ist so gestaltet, dass die Klägerin ihre Abstammung ohne Preisgabe des Wissens des IVF-Zentrums nicht ermitteln kann. Die Daten der Samenspender waren nämlich auch den Eheleuten Q nicht bekannt, weil der Behandlungsvertrag eine für sie anonyme Samenspende vorsah.

 

Demgegenüber kann der Beklagte als Gesellschafter des IVF-Zentrums - abgesehen von einer von ihm darzulegenden und zu beweisenden nachträglichen Unmöglichkeit der Auskunftserteilung - unschwer Auskunft geben, indem er ihr die Namen der Samenspender bekannt gibt. Diese sind dem IVF-Zentrum jedenfalls zum Zeitpunkt der Zeugung der Klägerin bekannt gewesen.

 

4. Die Klägerin hat ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung, das den Beklagten als Gesellschafter des IVF-Zentrums dazu verpflichtet, ihr die Identität ihres genetischen Vaters mitzuteilen.

 

Das Recht der Klägerin folgt aus ihrem grundrechtlich gemäß Art 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht. Dieses und auch die auf Seiten des Beklagten zu beachtenden, grundrechtlich geschützten Rechtspositionen sind bei der Auslegung der in Frage stehenden zivilrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen. Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. BVerfG, 1 BvR 792/03, NJW 2003, 2815 m. w. Nachw.).

 

Das Recht der Klägerin auf Kenntnis ihrer Abstammung ist besonders schützenswert. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits mit seinem Beschluss vom 18.01.1988 (BVerfG 1 BvR 1589/87, NJW 1988, 3010) und mit seinem Urteil vom 31.01.1989 (BVerfG 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891f) festgestellt. Zu beurteilen ist das Recht aufgrund einer umfassenden und konkreten Abwägung, in die die Rechtspositionen der von der Auskunftserteilung Betroffenen einzubeziehen sind (vgl. BVerfG, 1 BvR 409/90, NJW 1997, 1769f). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung, die auch von der herrschenden Lehre anerkannt wird (jew. m. w. Nachw.: Rauscher in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2011, Einl. 110ff zu § 1589ff, auch Anhang zu § 1592 Rz. 15f; Hahn in BeckOK, Stand 01.05.2012, § 1591 Rz. 22; Wellenhofer in Münchener Kom., 6. Aufl. 2012, Vorbem. §§ 1591ff Rz. 26ff, insbes. Rz. 32f; Spickhoff, Medizinrecht 2011, Vorbem. § 1591 Rz. 6).

 

Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sichern das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Das Verständnis und die Entfaltung der eigenen Individualität sind daher mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen Faktoren zählt u.a. die Abstammung. Sie legt die genetische Ausstattung des Einzelnen fest, prägt seine Persönlichkeit und nimmt auch im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für Individualitätsfindung und Selbstverständnis ein. Daher umfasst das Persönlichkeitsrecht auch die Kenntnis der eigenen Abstammung.

 

Ausgehend hiervon hat bereits das Interesse der Klägerin an der Kenntnis der eigenen Abstammung erhebliches Gewicht. Dass die Klägerin diese nutzen will, um ihren genetischen Vater auch tatsächlich ausfindig zu machen, evtl. Halbgeschwister kennenzulernen oder mögliche erbliche Krankheiten in Erfahrung zu bringen, ist nur weitere Ausprägung ihres legitimen Interesses.

 

Die Persönlichkeitsrechte der Mutter der Klägerin und ihres gesetzlichen Vaters stehen dem Interesse der Klägerin an der Kenntnis ihrer Abstammung bereits deswegen nicht entgegen, weil ihre Eltern damit einverstanden sind, dass die Klägerin ihre genetischen Wurzeln in Erfahrung bringen will. Ihr Einverständnis haben die Eltern der Klägerin schriftlich erklärt und mündlich im Senatstermin bekräftigt.

 

Auf Seiten des Beklagten sind seine rechtlich geschützten Interessen und auch die erkennbaren, rechtlich geschützten Interessen der Samenspender in die Abwägung einzubeziehen.

 

Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass die Interessen der derzeit unbekannten Samenspender nicht bekannt seien. Die Interessen der Samenspender sind insoweit nachvollziehbar, als sie sich auf eine entgeltliche, anonyme Samenspende eingelassen und dabei mit dem IVF-Zentrum vereinbart haben, dass sie auch bei späteren Nachfragen anonym bleiben. Daraus ist zu schließen, dass sie kein Interesse daran haben, zu einem späteren Zeitpunkt mit den Folgen ihrer Samenspende konfrontiert zu werden. Neben möglichen rechtlichen Folgen wie einer entstandenen Unterhaltsverpflichtung und einer durch ein weiteres Kind „beeinflussten“ gesetzlichen Erbfolge ist auch ihr Persönlichkeitsrecht betroffen, wenn z.B. in ihrem privaten Umfeld bekannt wird, dass sie mittels einer anonymen Samenspende ein Kind gezeugt haben.

 

Zu berücksichtigen sind auch die Interessen des Beklagten. Sein Persönlichkeitsrecht und die Freiheit seiner Berufsausübung sind betroffen, wenn er jetzt „gezwungen“ wird, die Namen des Spenders bzw. der Spender preiszugeben, nachdem er seinerzeit Anonymität zugesichert hat. U.U. muss er sogar damit rechnen, von den Spendern auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

 

Die demnach gebotene Abwägung ist im vorliegenden Fall zugunsten der Klägerin vorzunehmen.

 

Die auf Seiten des Beklagten und der betroffenen Samenspender tangierten Rechtspositionen müssen hinter dem grundgesetzlich besonders geschützten Interesse der Klägerin an der Kenntnis ihrer Abstammung zurücktreten. Wie ausgeführt ist das grundrechtlich geschützte Interesse der Klägerin von zentraler Bedeutung für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Ein vergleichbares Gewicht haben die auf Seiten des Beklagten und der Spender zu berücksichtigen Grundrechtspositionen nicht. Der Beklagte und die Spender sind bereits deswegen weniger schutzbedürftig, weil sie die Folgen einer anonymen Samenspende im Vorhinein berücksichtigen und sich auf die mit einem Auskunftsverlangen des gezeugten Kindes für sie verbundenen Folgen einstellen konnten. Für ein vorrangiges Recht der Klägerin spricht insbesondere die familienrechtliche Rechtslage. Nach dieser musste dem Beklagten wie auch den Spendern bei der künstlichen Zeugung klar sein, dass jedenfalls das gezeugte Kind die eheliche Vaterschaft zu einem späteren Zeitpunkt würde anfechten können und es dann ein Recht auf Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders mit allen sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen haben konnte.

 

Diese familienrechtlichen Rechtspositionen des Kindes konnten alle Beteiligten (auch die Kindeseltern) bei der künstlichen Zeugung nicht wirksam ausschließen. Die familienrechtlichen Vorschriften waren (und sind) insoweit zwingend.

 

Auf diesen Umstand weisen auch die seinerzeit geltenden Richtlinien der dt. Ärztekammer „zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer und des intratubaren Gameten- und Embryotransfers als Behandlungsmethoden der menschlichen Sterilität“ aus dem dt. Ärzteblatt vom 15.12.1988 in ihrem Anhang unter I.4. hin. In den Richtlinien ist ausdrücklich davon die Rede, dass das durch heterologe Insemination gezeugte Kind einen Anspruch auf Bekanntgabe seines biologischen Vaters habe. Der Arzt könne dem Samenspender daher keine Anonymität zusichern, er müsse ihn vielmehr darauf hinweisen, dass er (der Arzt) gegenüber dem Kind zur Nennung des Spendernamens verpflichtet sei und sich insoweit auch nicht auf seine ärztliche Schweigepflicht berufen könne.

 

Die weiteren Umstände, auf die sich der Beklagte im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung beruft, rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

 

Auf eine Einwilligung der Mutter oder des gesetzlichen Vaters der Klägerin kommt es nicht an. In Frage steht ein Auskunftsanspruch der Klägerin aus eigenem Recht, der nicht von der Einwilligung ihrer Eltern abhängt.

 

Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin dem Beklagten die Übernahme der mit einer Auskunftserteilung verbundenen Kosten zugesagt hat. Der Beklagte hat die Auskunft auf eigene Kosten zu erteilen (Palandt/Grüneberg, BGB-Kom., 71. Aufl. 2012, § 242 BGB Rz. 17). Eine dem § 811 Abs. 2 S. 1 BGB entsprechende Regelung gibt es insoweit nicht.

 

Der Beklagte verstößt nicht gegen § 203 StGB, wenn er die geforderte Auskunft erteilt. Da die Klägerin die Auskunft verlangen kann, handelt der Beklagte nicht unbefugt im Sinne der strafrechtlichen Bestimmung, wenn er den Auskunftsanspruch erfüllt (Wellenhofer in Münchener Kom., 6. Aufl. 2012, Vorbem. §§ 1591ff Rz. 33). Auf seine ärztliche Schweigepflicht kann sich der Beklagte insoweit nicht berufen (Rauscher in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2011, Anhang zu § 1592 Rz. 15). Dies ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Beklagte den Namen mehrerer Spender offenbaren müsste, um seiner Auskunftspflicht zu genügen. Dabei hat er die ihm zur Verfügung stehenden Informationen preiszugeben, ohne zu einer weiteren Aufklärung (z.B. einer Ermittlung des tatsächlichen Erzeugers unter mehreren in Betracht kommenden Spendern) gehalten zu sein. Der in Frage stehende Auskunftsanspruch der Klägerin beinhaltet nicht das Recht auf Verschaffung von noch nicht erlangten Kenntnissen über die eigene Abstammung (vgl. BVerfG 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891 (892)). Der Beklagte ist also nicht gehalten, die in Betracht kommenden Spender zu untersuchen, um der Klägerin einen so ermittelten Erzeuger zu benennen. Er hat aber dann, wenn mehrere Spender als Erzeuger in Betracht kommen, sein Wissen über ihre Identität preiszugeben, weil der Auskunftsanspruch die Mitteilung insoweit erlangbarer Informationen einschließt. In Erfüllung dieses Anspruches handelt der Beklagte befugt und verstößt nicht gegen § 203 StGB, selbst wenn er die Identität mehrerer Spender offenbaren muss.

 

Das Auskunftsverlangen der Klägerin setzt schließlich nicht voraus, dass die Klägerin noch die Möglichkeit hat, die gesetzliche Vaterschaft von X Q anzufechten. Der Klägerin ist auch dann ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung zuzubilligen, wenn sie die gesetzliche Vaterschaft nicht anfechten will. Letzteres ist für die weiteren rechtlichen Folgen, z. B. eine Unterhaltspflicht oder ein Erbrecht bedeutsam. Diese Rechte muss die Klägerin nicht anstreben, wenn sie die Auskunft verlangt.

 

Die von den Parteien thematisierte Regelung des § 14 Abs. 3 des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG) ist für die in Frage stehende Abwägung nicht maßgeblich. Das im Jahre 2007 erlassene Gesetz dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2004, betrifft also einen Zeitraum nach der Zeugung der Klägerin. § 14 TPG regelt den Datenschutz bei Organspenden. Gem. § 14 Abs. 3 S. 1 TPG bleibt im Falle der Samenspende das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung unberührt. Mit dieser Regelung bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass das TPG im Falle eines mit einer Samenspende gezeugten Kindes keine das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung einschränkende Regelung treffen will. Hiermit wird aber nicht gesagt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kind ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung hat.

 

5. Wie bereits ausgeführt erfüllt der Beklagte den Auskunftsanspruch, indem er der Klägerin den Namen des Samenspenders oder die Namen der Samenspender benennt, mit dessen bzw. deren Samen die heterologe Insemination der Mutter der Klägerin durchgeführt wurde, die zur Zeugung führte. Kommen mehrere Samenspender als Erzeuger in Betracht, ist er nicht gehalten aufzuklären, welcher der tatsächliche Erzeuger ist, weil er nur die bereits vorhandenen Informationen preiszugeben und keine neuen Sachverhalte zu ermitteln hat (vgl. BVerfG, 1 BvL 17/87, NJW 1989, 891 (892)).

 

Der Beklagte ist auch gehalten, der Klägerin Einsicht in die ihre Zeugung betreffenden „Behandlungsunterlagen“ zu gestatten, soweit diese noch vorhanden sind. Der Anspruch ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 810 BGB. Die in Frage stehenden Behandlungsunterlagen befanden sich im Besitz des IVF-Zentrums, als die Klägerin gezeugt wurde. Sie sind auch im Interesse der Klägerin erstellt worden, weil die Klägerin einen Anspruch auf Auskunft über ihre Abstammung hat. Vorsorglich sei angemerkt, dass die Unterlagen in der Praxis des Beklagten vorzulegen sind (§ 811 Abs. 1 S. 1 BGB) und die Kosten insoweit von der Klägerin zu tragen wären (§ 811 Abs. 2 S. 1 BGB).

 

III.

 

Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist nicht erloschen.

 

Er ist nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), weil der Beklagte der Klägerin die Namen der als Samenspender in Betracht kommenden Personen, das sind nach seiner Darstellung die Spender, die unter den Nummern 181 und 261 im IVF-Zentrum geführt wurden, nicht offenbart hat.

 

Die Erteilung der Auskunft ist dem Beklagten auch nicht unmöglich geworden, mit der Folge, dass der Klägerin der Anspruch deswegen zu versagen wäre (§ 275 Abs. 1 BGB). Der Beklagte beruft sich zwar auf eine Unmöglichkeit, indem er darauf verweist, dass die Namen der von ihm als Spender benannten Personen mit den Nummern 181 und 261 im Zentrum nicht mehr bekannt seien und über diese geführte Unterlagen nicht mehr vorhanden seien.

 

Die vom Beklagten behauptete Unmöglichkeit vermag der Senat nicht festzustellen.

 

Eine Auskunftserteilung ist dem Beklagten nicht bereits dann unmöglich, wenn er persönlich die Namen der als Erzeuger der Klägerin in Betracht kommenden Samenspender nicht mehr erinnert. Er muss vielmehr zunächst alles Zumutbare unternommen haben, um die geschuldete Leistung zu erbringen. Erst wenn hiernach feststeht, dass er die Auskunft nicht erteilen kann, ist sie unmöglich, wobei der Einwand der Unmöglichkeit auch (noch) im Vollstreckungsverfahren erhoben werden kann (vgl. BGH XII ZB 465/11, zit. nach Juris, Tz. 21).

 

Von einer dem Beklagten unmöglichen Auskunftserteilung kann der Senat nicht ausgehen. In dem IVF-Zentrum wurde arbeitsteilig gearbeitet, zudem wurden schriftliche Unterlagen erstellt, in denen die Spendernamen notiert wurden. Davon geht bereits der Vortrag des Beklagten aus. Bei einem derartig organisierten Praxisbetrieb ist dem Beklagten als einem für den Betrieb verantwortlichen Gesellschafter die Auskunftserteilung erst dann unmöglich, wenn die für die Auskunft benötigten Informationen auch nach einer umfassenden Recherche nicht mehr zu beschaffen sind. Diese Recherche verlangt nicht nur eine umfassende Suche nach den aussagekräftigen schriftlichen Unterlagen, sondern auch eine umfassende Befragung aller Mitarbeiter, die etwas zum Verbleib oder Inhalt der fraglichen Unterlagen sagen können.

 

Eine Unmöglichkeit ist dem vorstehend beschriebenen Sinne ist weder bewiesen noch so vorgetragen, dass eine weitere Beweisaufnahme geboten wäre. Dies geht zu Lasten des Beklagten, weil er die Beweislast für den Unmöglichkeitseinwand trägt (Palandt/Grüneberg, BGB-Kom. 71. Aufl. 2012, § 275 Rz. 34).

 

1. Der Beklagte muss sich bereits vorhalten lassen, dass er den Unmöglichkeitseinwand nicht stringent vorgetragen hat.

 

Auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 07.10.2011 (Bl. 74 GA) hat er vortragen lassen, über die zur Zeugung der Klägerin führenden Behandlung lägen ihm keinerlei Unterlagen mehr vor.

 

Auf Seite 5 der Berufungserwiderung vom 08.08.2012 (Bl. 149 GA) heißt es sodann, die Patientenakten der Mutter der Klägerin sei noch vorhanden, beinhalten aber nur codiert bezeichnete Spender. Die zu ihrer namentlichen Bezeichnung geführte Codierungsliste sei nicht mehr vorhanden. Auf den Seiten 2 und 3 des zum Hinweis des Senats verfassten Schriftsatzes vom 17.09.2012 (Bl. 156/6 GA) wird der Vortrag der Berufungserwiderung wiederholt und vertieft. Den Vortrag zu nicht mehr vorhandenen Codierungslisten wiederholt der Beklagte zudem auf den Seiten 4 und 5 des Schriftsatzes vom 09.11.2012 (Bl. 210/1 GA) und benennt die Zeugin C zum Beweis dafür, dass die Codierungslisten nicht mehr vorlägen, weil grundsätzlich alle Unterlagen von vor 1996 vernichtet worden seien.

 

In Abweichung zu diesem Vortrag hat der Beklagte bei seiner Anhörung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2012 erklärt, die in einem Ordner erfassten Unterlagen, aus denen sich die Zuordnung eines Spendernamens zu der ihm zugeteilten Nummer ergebe, bei dem Notar F in F hinterlegt zu haben, damit sie sicher aufbewahrt würden. Als der Notar in den Ruhestand gegangen sei, müsse das IVF-Zentrum den Ordner unvollständig zurückerhalten haben, was erst später aufgefallen sei. Die Daten zu 20 bis 30 Spendern fehlten, u.a. zu den Spendern mit den Nummern 181 und 261, mit deren Samen die Klägerin nach den zu ihrer Mutter noch existierenden Behandlungsunterlagen gezeugt worden sein müsse.

 

Der im Verlauf des Rechtsstreits wechselnde Vortrag des Beklagten von den gänzlich fehlenden Behandlungsunterlagen, zu den nicht mehr vorhandenen, weil für die Zeit vor 1996 bereits vernichteten Codierungslisten, zu einem zeitweise bei einem Notar aufbewahrten Ordner (mit Unterlagen zu ca. 200 bis 300 Spendern), in dem (nur) Unterlagen zu 20 bis 30 Spendern fehlen sollen, lässt den wechselhaften Vortrag zum Umgang mit Unterlagen über Spendernamen im IVF-Zentrum erkennen. Die in diesem Punkt unterschiedliche Darstellung ist nicht glaubhaft, weil der Umgang gerade mit diesen Unterlagen einen zentralen Punkt zu Begründung des Unmöglichkeitseinwandes darstellt.

 

2. Abgesehen davon ist auch der vom Beklagten bei seiner Anhörung durch den Senat geschilderte Sachverhalt nicht glaubhaft. Er wurde durch die Zeugin C in zwei weiteren, für den Unmöglichkeitseinwand bedeutsamen Punkten nicht wahrgehalten.

 

Zwar haben der Beklagte und die Zeugin C übereinstimmend bekundet, die Identität der Samenspender sei seinerzeit durch den Kollegen Dr. y festgestellt und notiert worden, der ihnen dann auch die Nummer zugeteilt habe, mit der die Spender im IVF-Zentrum sodann bezeichnet worden seien. Ausdrücklich befragt, welcher Mitarbeiter bzw. welche Mitarbeiterin zur Führung dieser Unterlagen zuständig gewesen sei, hat der Beklagte die Zeugin C benannt. Dem gegenüber hat die Zeugin C angegeben, mit dieser Aufgabe überhaupt nicht befasst gewesen zu sein. Der Senat kann in diesem Punkt nicht feststellen, dass die Angabe des Beklagten glaubhafter ist als die der Zeugin. Die in diesem Punkt abweichenden Angaben der beiden Beteiligten lassen aber erkennen, dass der Beklagte bei seiner Vernehmung (noch) keine ausreichende Vorstellung von dem Umgang mit den zur Identität der Spender angelegten Unterlagen hatte, andernfalls wäre ihm die von seiner Darstellung abweichende Sichtweise der Zeugin C bekannt gewesen. Bereits deswegen ist zweifelhaft, ob seine Angabe, die Unterlagen zur Identität der Spender mit den Nummern 181 und 261, die für die Zeugung der Klägerin verantwortlich seien, seien trotz durchgeführter Recherche nicht mehr auffindbar, auf der gebotenen umfassenden Recherche beruht.

 

Der Beklagte hat zudem bekundet, gemeinsam mit der Zeugin C den vom Notar zurückgegebenen Ordner überprüft und die Zeugin dann zu weiteren Nachforschungen veranlasst zu haben. Die Zeugin hat demgegenüber ausgesagt, nach der Überprüfung des Ordners keine weiteren Nachforschungen angestellt zu haben, die sie auch nicht habe anstellen sollen. Auch in diesem Punkt sind die Angaben des Beklagten nicht glaubhafter als die der Zeugin C. Mithin ist nicht feststellbar, dass der Beklagte im IVF-Zentrum bereits eine umfassende Recherche zum Auffinden der Daten der in Betracht kommenden Samenspender veranlasst hat. Eine solche läge nicht bereits dann vor, wenn lediglich der Ordner mit den Spendernamen überprüft und nach der Feststellung seiner Unvollständigkeit keine weitere Recherche veranlasst worden wäre, wie die Zeugin ausgesagt hat. Mithin steht auch das Beweisergebnis zu diesem Punkt der Feststellung des Unmöglichkeitseinwandes entgegen.

 

3. In der zum Ergebnis der Beweisaufnahme verfassten Stellungnahme (S. 5 des Schriftsatzes vom 14.01.2013 (Bl.251 GA) hat sich der Beklagte auf den Zeugen Dr. y Nachweis der Tatsachen berufen, der Zeuge Dr. y habe seinerzeit die Spender in Empfang genommen und ihre Namen festgehalten, auch er könne sich an die Spender mit den Nummern 181 und 261 nicht mehr erinnern.

86  Die Vernehmung des Zeugen Dr. y zu diesen Beweisthemen ist nicht geboten. Der Senat kann die Richtigkeit der in sein Wissen gestellten Tatsachen als wahr unterstellen. Auch mit dem so ergänzten Sachverhalt ist die vom Beklagten behauptete Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung nicht bewiesen. Selbst wenn Dr. y seinerzeit die Namen der Spender erfasste, ihnen die Nummern zuteilte, unter denen sie im IVF-Zentrum geführt wurden, und sich an die Spendernamen mit Nummern 181 und 261 nicht mehr erinnern kann, bleibt offen, ob es nicht weitere Mitarbeiter gibt, die mit der Führung dieser Unterlagen befasst waren und die sich an ihren Inhalt erinnern oder wissen, wo sich die vermeintlich abhanden gekommenen Unterlagen zu den Spendern mit den Nummern 181 und 261 befinden, so dass sie wiederaufgefunden werden können. Der Beklagte ist bei seiner Anhörung selbst davon ausgegangen, dass nicht allein Dr. y die Unterlagen zu betreuen hatte, in denen die Spendernamen notiert waren. Er hat insoweit gemeint, dass die Zeugin C mit der Führung dieser Unterlagen ebenfalls befasst war, was die Zeugin – wie bereits ausgeführt – bei ihrer Vernehmung nicht bestätigt hat. Die Aussage des Beklagten lässt vermuten, dass es abgesehen von der Zeugin C und von Dr. y einen weiteren Mitarbeiter im IVF-Zentrum gegeben haben kann, der mit der Verwaltung der Unterlagen betraut war, in denen die Namen der Samenspender notiert waren.

 

4. Mithin ist weder nach der Anhörung des Beklagten noch nach seinem ergänzenden Vortrag hinreichend dargetan, dass der Beklagte eine vollständige Befragung seiner damaligen Mitarbeiter vorgenommen und eine umfassende Recherche nach den vermeintlich fehlenden Unterlagen veranlasst hat.

 

Mit dem insoweit lückenhaften Beweisergebnis und dem lückenhaften Vortrag zu diesem ist die Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung nicht festzustellen, auch dann nicht, wenn man die in das Wissen des Zeugen y gestellten Tatsachen als wahr unterstellt.

 

Der Beklagte bleibt zur Auskunftserteilung verpflichtet und wird eine Unmöglichkeit ggfls. im Vollstreckungsverfahren nachzuweisen haben.

      

IV.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

      

C.

 

Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist. Die grundsätzliche Bedeutung fehlt, weil der Auskunftsanspruch der Klägerin nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre nicht zweifelhaft ist und deswegen keine (noch) klärungsbedürftige Rechtsfrage darstellt. Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht geboten, weil die Senatsentscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht abweicht und es auch keine entgegenstehende obergerichtliche Rechtsprechung gibt.

Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 06. Februar 2013 – I-14 U 7/12; NJW 2013, 1167-1171 (Leitsatz und Gründe)