· 

Fotos einer fremden, privaten Wohnung ohne Einwilligung im Internet veröffentlicht? - Schadensersatz droht!

Es ist verboten, Fotos fremder Privatwohnungen ohne Einverständnis der Bewohner im Internet zu veröffentlichen. Ein Verstoß kann rechtlich geahndet werden und führt unter Umständen gar zu einer Schadensersatzpflicht, u.a. des Verwenders bzw. des Fotografens (siehe OLG Celle, Urteil vom 24.02.2022 - 5 U 114/21).


KOSTENLOSE ERSTEINSCHÄTZUNG DIREKT VOM ANWALT ANFORDERN!

 

Ihre Wohnung ist im Internet veröffentlicht? Sie haben der Veröffentlichung nicht zugestimmt? - Zögern Sie nicht und lassen Sie sich professionell helfen. Fordern Sie gerne unsere kostenlose, unverbindliche Ersteinschätzung an!

Alternativ können Sie uns auch gerne anrufen, um Ihre kostenlose Ersteinschätzung direkt vom Rechtsanwalt am Telefon zu erhalten. Gerne sind wir für Ihre kostenlose Ersteinschätzung auch über WhatsApp erreichbar:

 

02232 / 30 484 60


Zum Sachverhalt: Makler veröffentlicht Fotos aus dem Inneren der privaten Wohnung ohne Einwilligung unserer Mandanten!

Unsere Mandanten wurden darauf hingewiesen, dass Fotos ihrer alten Wohnung auf "Immobilienscout24" veröffentlicht waren.

Die Veröffentlichung erfolgte im Rahmen eines Inserats durch einen Makler. Obgleich unsere Mandanten diese Wohnung nicht mehr bewohnten, verfügte der Makler noch über alte Fotos aus dem Inneren der Wohnung, die einst zum Zwecke der Weitervermietung mit Zustimmung unserer Mandanten angefertigt worden sind. Knapp 2 Jahre später zog der Nachmieter dann ebenfalls aus und die Wohnung wurde erneut von dem gleichen Makler weitervermittelt. Dieser verwendete aber die alten Fotos der ehemaligen Wohnung unserer Mandanten auch für das neue Inserat. Unsere Mandanten wurden hierbei weder gefragt, noch stimmten sie der erneuten Veröffentlichung zu.

 

Wir übernahmen den Fall und forderten die Maklergesellschaft

  • zur Unterlassung der Fotoverwendung,
  • Löschung der Fotos,
  • Auskunft über die Nutzung der Fotos und
  • Zahlung von Schadensersatz

auf, was allerdings abgelehnt wurde.


OLG Celle: Ohne Einwilligung der Bewohner dürfen Fotos fremder Wohnungen nicht verbreitet werden!

Wir erhoben daraufhin Klage von dem LG Hannover. Die Klage wurde abgewiesen.

 

Da wir anderer Auffassung waren als das Landgericht, haben wir unseren Mandanten angeraten, Berufung einzulegen. Die Berufung hatte Erfolg: Das OLG Celle teilte unsere Auffassung, dass es verboten ist, ohne Zustimmung der Bewohner einfach Fotos fremder Wohnung im Internet zu veröffentlichen.

"Denn die Privatsphäre der Kläger als Ausprägung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist schon durch die Veröffentlichung von Fotos der Innenräume der ehemaligen Wohnung der Kläger verletzt."

 

- OLG Celle, Urteil vom 24.02.2022 - 5 U 114/21

Im Ergebnis hob das OLG Celle das Urteil des LG Hannovers auf und sprach unseren Mandanten die begehrten Ansprüche zu. Insbesondere verpflichtete es den Makler, an unsere Mandanten Schadensersatz zu zahlen.


Das Urteil des OLG Celle (Urteil vom 24.02.2022 - 5 U 114/21) gibt es hier:

Tenor:

 

Die Beklagten werden unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, verurteilt, es zu unterlassen, ohne Einwilligung der Kläger Lichtbilder der ehemaligen Wohnung der Kläger entsprechend der nachfolgen- den Screenshots zu verbreiten:

 

XXX

 

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger Auskunft darüber zu erteilen, ob, wann, wie, wo und an wen sie die oben näher beschriebenen Bilder verbreitet haben und die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Auskunftserteilung an Eides statt zu versichern.

 

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die oben näher beschriebenen Bilder unwiederbringlich zu löschen und etwaige verkörperte Kopien hiervon unwiederbringlich zu löschen.

 

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger jeweils eine Geldentschädigung in Höhe von 100,00 €, mithin insgesamt 300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2020 zu zahlen.

 

 

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger zu 1) von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € freizustellen.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf bis zu 8.000,00 €.

 

Gründe:

 

-  Abgekürzt gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO -

 

Die Berufung der Kläger ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Das Landgericht hat die Klage weitestgehend zu Unrecht zurückgewiesen.

 

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

 

1. Die Kläger haben einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der beiden streitgegenständlichen Lichtbilder nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG wegen der rechtswidrigen Verletzung ihrer Privatsphäre.

 

a) Entgegen der Ansicht der Kläger folgt dieser Anspruch nicht schon daraus, dass sie geltend machen, sie seien persönlich auf Fotografien zu identifizieren, die auf den im Inserat veröffentlichten Lichtbildern der Wohnung erkennbar sind. Hierzu hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der Anspruch der Kläger nicht wegen der Veröffentlichung der auf den Lichtbildern abgebildeten Fotografien gegeben ist. Denn die Lichtbilder sind kein Bildnis im Sinne des § 22 KunstUrhG. Ein Bildnis im Sinne des § 22 KunstUrhG liegt vor, wenn die Darstellung dazu bestimmt und geeignet ist, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser bestimmten Person eigen sei, im Bild wiederzugeben, wobei es in der Regel die Gesichtszüge sind, die einen Menschen von seinen Mitmenschen unterschieden und für den Betrachter erkennbar machen. Hiernach ist es rechtlich unerheblich, ob die Darstellung gut oder mangelhaft ist oder ob die Ähnlichkeit eine größere oder eine geringere ist. Von Bedeutung ist allein die Erkennbarkeit des Abgebildeten (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1965, Az: Ib ZR 126/63, zit. nach beck-online). Das Landgericht hat nach Inaugenscheinnahme der Bilder am Laptop der Klägervertreterin die Erkennbarkeit der Kläger anhand der Gesichtszüge, der Frisur, besonderer Kleidungsstücke oder bestimmter Körperhaltungen sowie anhand der Umstände verneint. Auf den Bildern sei mit Ausnahme von zwei darauf abgebildeten Fotografien, auf denen jeweils ein Kleinkind zu sehen sei, nicht zu erkennen, ob darauf erwachsene Personen abgebildet seien. Bei den Fotografien, die ein Kleinkind zeigen, sei nicht zu erkennen, ob dies jeweils das gleiche Kind sei. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend, weil keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen bestehen und mit der Berufung auch nicht auf- gezeigt werden.

 

Zwar kann sich die Erkennbarkeit auch aus den begleitenden Umständen ergeben (OLG Frankfurt, Urteil vom 12.07.1991, 25 U 87/90, zit. nach beck-online).Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Landgerichts, dass auf den Bildern die Personen in keiner Weise zu erkennen seien, sind auch die Feststellungen, dass sich die Bilder über die im Inserat genannte Anschrift der angebotenen Wohnung den Klägern ebenfalls nicht zuordnen lassen, da es sich um eine Wohnung in einem Mehr- familienhaus handelt, nicht zu beanstanden. Auch hat das Landgericht hinreichend berücksichtigt, dass eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung bereits dann vorliegen kann, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne nach der Art der Abbildung erkannt werden (BGH, Urteil vom 10.11.1961, Az: I ZR 78/60, zit. nach beck-online). Hierzu hat das Landgericht ausgeführt, dass die Kläger keine Tatsachen vorgetragen haben, aufgrund derer ihre Annahme, auf den veröffentlichten Lichtbildern erkannt zu werden, begründet werden könnte. Derartige Tatsachen sind aus den Lichtbildern auch nicht ersichtlich. Es finden sich auf den Bildern keine markanten Gegenstände wie Kleidung, Taschen oder sonstige Accessoires, die eine Zuordnung zu den Klägern ermöglichen könnte.

 

b) Im Ergebnis kommt es auf die Erkennbarkeit der Kläger nicht an. Denn die Privatsphäre der Kläger als Ausprägung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist schon durch die Veröffentlichung von Fotos der Innenräume der ehemaligen Wohnung der Kläger verletzt.

 

aa) Durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Lichtbilder war nicht die Intimsphäre, sondern die Privatsphäre der Kläger betroffen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (BGH, Urteil vom 18.09.2012, Az: VI ZR 291/10, Rn. 12, zit. nach juris). Ein Eingriff in die Privatsphäre liegt dann vor, wenn Bilder veröffentlicht werden, die in die durch eine Umfriedung eines Grundstücks geschaffene Privatsphäre eingreifen und das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung der persönlichen Lebensumstände beeinträchtigen. Dieses Recht weist dem Schutzbedürfnis der Person einen entsprechend hohen Rang gegenüber Eingriffen zu, die sie gegen ihren Willen für die Öffentlichkeit „verfügbar“ machen (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2003, Az: VI ZR 373/02, Rn. 17, zit. nach juris). Nach diesen Grundsätzen war das Angebot im Internet im Jahr 2020 unter Beifügung der Lichtbilder, die die Innenräume der ehemaligen Wohnung der Kläger sowie die Außenansicht des Hauses zeigen, grundsätzlich geeignet, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, weil der Öffentlichkeit Einblicke in die (ehemalige) Wohnsituation der Kläger geboten werden konnten, die ihre Privatsphäre be- treffen.

 

bb) Entgegen der Feststellungen des Landgerichts sind die Kläger durch die Anzeige auch individuell betroffen. Eine individuelle Betroffenheit setzt voraus, dass die Person erkennbar zum Gegenstand der Darstellung wurde. Die Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Zuschauer- und Adressatenkreises aufgrund der dargestellten Umstände hinreichend erkennbar wird (BGH, Urteil vom 26.05.2009, Az: VI ZR 191/08, Rn. 9, zit. nach juris). Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BGH, Urteil vom 21.06.2005, VI ZR 122/04, Rn. 10, zit. nach juris). Dies ist vorliegend der Fall. Anders als im dem Urteil des OLG Saarbrücken zugrunde liegenden Sachverhalt (Urteil vom 17.06.2015, Az: 5 U 56/14, zit. nach beck-online) waren vorliegend die Räumlichkeiten nicht mit der Möblierung Dritter, sondern mit der Einrichtung der betroffenen Kläger abgebildet. Ehemalige Besucher aus dem Bekanntenkreis der Kläger werden anhand der auf den Lichtbildern abgebildeten Einrichtung die Wohnung der Kläger erkennen und die Lichtbilder zuordnen können. Zwar können Fremde durch die Bilder nicht in die Privatsphäre der Kläger eindringen. Gleichwohl können auch Bekannte der Kläger so weitere Einblicke in die ihnen bisher unbekannte Privatsphäre erhalten, beispielsweise in die Einrichtung der Küche, wenn diesen bis dahin nur der Flurbereich bekannt war, Einblicke in neue Einrichtungsgegenstände oder in das Aufräum- und Putzverhalten der Kläger.

 

cc) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Kläger ist auch widerrechtlich. Denn bei der gebotenen Abwägung der beteiligten Interessen überwiegt das Interesse der Kläger, dass ihre privaten Lebensumstände nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch wenn auf Seiten der Beklagten, die die Bilder der Wohnung in ihrer Tätigkeit als Makler veröffentlicht haben, zusätzlich das Interesse des Wohnungseigentümers an einer Weitervermietung der Wohnung berücksichtigt wird, tritt dieses Interesse hier jedenfalls aufgrund der konkreten Umstände zurück. Denn die Wohnung war nach Auszug der Kläger und vor (erneuter) Veröffentlichung der hier in Streit stehenden Bilder grundsaniert worden und wurde auf den Bildern in ihrem aktuellen Zustand nicht wiedergegeben. Dem Interesse des Eigentümers und auch der Beklagten selbst wäre durch die Anfertigung neuer Lichtbilder ausreichend Genüge getan. Vor diesem Hintergrund entfällt die Widerrechtlichkeit des

 

Eingriffs auch nicht wegen der ursprünglich erteilten Einwilligung. Denn Zweck dieser Einwilligung war unstreitig die Weitervermietung der konkreten Wohnung unmittelbar nach dem Auszug der Kläger, dieser Zweck ist mit der Kernsanierung nach Auszug der Kläger entfallen.

 

dd) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Hat eine rechtswidrige Beeinträchtigung bereits stattgefunden, so besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr (BGH, Urteil vom 04.12.2018, Az: VI ZR 128/18, Rn. 9, zit. nach juris). Diese Vermutung kann entkräftet werden, allerdings sind an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen. Im Regelfall bedarf es hierfür der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs (BGH, Urteil vom 08.02.1994, Az: VI ZR 286/93, Rn. 27, zit. nach juris). Eine solche Unterlassungsverpflichtung haben die Beklagten gegenüber den Klägern gerade nicht abgegeben. Die Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch die Behauptung der Beklagten, sie hätten die Bilder bereits gelöscht, entkräftet. Denn die Kläger haben den Vortrag bestritten. Die insoweit beweisbelasteten Kläger haben für ihre Behauptung keinen Beweis angetreten.

 

ee) Die Beklagten sind Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Der Vortrag der Kläger aus dem Schriftsatz vom 24.03.2021 ist unstreitig geblieben. Danach ist der Beklagte zu 1) Vertretungsberechtigter der MT-Immobilien und sowohl auf der Website der MT-Immobilien als auch bei der Unternehmenspräsenz auf „Immobilienscout 24“ als Verantwortlicher aufgeführt. Ferner ist die Beklagte zu 2) die für die streitgegenständliche Anzeige verantwortliche Maklerin. Als Störer kann grundsätzlich jeder auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der - auch ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat - kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt (KG Berlin, Urteil vom 10.02.2006, Az.: 9 U 105/05, Rn. 17, zit. nach juris). Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az.: I ZR 304/01, Rn. 48, zit. Nach juris). Dabei ist zu bedenken, dass die Beklagten durch die ihnen geschuldeten Provisionen aus der Vermietung der Wohnung Nutzen ziehen. Unter diesen Umständen kommt dem Interesse der Beklagten an einem möglichst kostengünstigen und reibungslosen Ablauf ihres Geschäftsbetriebs ein geringeres Gewicht zu als dem von Dritten, deren Daten im Zuge der Anzeigen veröffentlicht werden. Dies bedeutet, dass die Beklagten Vorsorge zu treffen haben, dass es durch die veröffentlichten Anzeigen nicht zu Rechtsverletzungen kommt.

 

2. Die Kläger haben nach §§ 242, 823 Abs. 1, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Auskunft über eine mögliche weitere Verbreitung der Bilder.

 

3. Die Kläger haben nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Lichtbilder gegen die Beklagten. Die seitens der Beklagten behauptete Löschung der Bilder haben die Kläger bestritten. Die für die Erfüllung des Anspruchs beweisbelasteten Beklagten haben keinen Beweis für die Löschung der Bilder angetreten.

 

4. Die Kläger haben nach Art. 82 i.V.m. Art. 6 DSGVO einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von je 100,00 €.

 

a) Ein Verstoß im Sinne des Art. 82 DSGVO ist mit der streitgegenständlichen Veröffentlichung der Lichtbilder gegeben. Ein Verstoß gegen die DSGVO ist etwa darin zu sehen, dass der Verantwortliche oder ein Mitarbeiter Daten gesetzwidrig erhoben, verarbeitet oder genutzt hat (Gola DS-GVO/Gola/Piltz, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 14, zit. nach beck-online). Die Beklagten haben die Lichtbilder im Jahr 2020 erneut veröffentlicht, ohne dass die Kläger zuvor eingewilligt hätten oder ein berechtigtes Interesse der Beklagten bestand und haben damit gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO verstoßen.

 

b) Es gibt im Rahmen des Art. 82 DSGVO keine Begrenzung auf schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Da der Begriff des Schadens in Art. 82 DSGVO ein europarechtlicher ist, darf nicht auf nationale Erheblichkeitsschwellen oder andere Einschränkungen abgestellt werden. Einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden sieht das Gesetz nicht vor (Kühling/Buchner/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS- GVO Art. 82 Rn. 18a, zit. nach beck-online). Es wäre mit der nach Erwägungsgrund 146 S. 3 zur DSGVO gebotenen weiten Auslegung unvereinbar, würde eine Schadensersatzpflicht nur bei erheblichen Rechtsverstößen eintreten, da dann eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar wäre, in denen Betroffene trotz Verstößen gegen die Regelungen der DS-GVO keine Kompensation erhielten (LAG Niedersachsen, Urteil vom 22.10.2021, Az: 16 Sa 761/20, Rn. 228, zit. nach juris). Nach Art. 82 DSGVO ist für einen Anspruch auf Schadensersatz Voraussetzung, dass einer natürlichen Person wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist (vgl.  OLG Bremen, Beschluss vom 16. Juli 2021, Az: 1 W 18/21, Rn. 2, zit. nach juris). Es bedarf danach keiner schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts, um einen immateriellen Schaden geltend zu machen. Der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens muss eine benennbare und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen, die z.B. in der mit einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ liegen kann (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020, Az: 324 S 9/19, Rn. 34, zit. nach juris). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist den Klägern dieser immaterielle Schaden mit der eingetretenen Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Bilder gegeben.

 

c) Den Klägern ist in Anbetracht der Pflichtverstöße der Beklagten nach richterlichem Ermessen gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von je 100,00 € zuzusprechen. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Schadensersatzanspruchs gemäß Art. 82 DSGVO einerseits und der Art und Schwere der eingetretenen Rechtsgutsverletzung andererseits ist vorliegend ein Schadensersatz in Höhe von 100,00 € für jeden einzelnen der Kläger angemessen aber auch ausreichend. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass den Schadensersatzansprüchen generell eine Abschreckungswirkung innewohnen soll. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 S. 6 zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen soll eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 22.10.2021, Az: 16 Sa 761/20, Rn. 231, zit. nach juris). Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Daten der Kläger zwar im Internet veröffentlicht wurden, aber gerade als Wohnung der Kläger nur einem kleinen Personenkreis erkenn- bar war. Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte die streitgegenständliche Veröffentlichung nicht beabsichtigt, sondern aufgrund eines Versehens. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich auch im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht um die aktuelle Wohnung der Kläger handelte.

 

5. Der Kläger zu 1) hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 €. Diese ergeben sich ausgehend von einem Gegenstandswert von 7.600,00 € (je 3.000,00 € für den Antrag zu 1) und 3), 1.500,00 € für den Antrag zu 2, 100,00 € für den Antrag zu 4) mit der 1,3fachen Geschäftsgebühr in Höhe von 592,80 €, zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 € gemäß Ziff. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer in Höhe von 19% gemäß Ziff. 7008 VV RVG.

 

6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 281, 286, 291, 247 BGB. In Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren keine Zinsen zuzusprechen, da insoweit Freistellung beantragt war. Der Freistellungsanspruch ist keine Geldschuld im Sinne des § 288 Abs. 1 BGB (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 288 Rn. 6).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO. Dabei kann da- hingestellt bleiben, ob eine teilweise Kostenlast der Kläger allein bezogen auf den in das Ermessen des Gerichts gestellten Zahlungsantrag gerechtfertigt wäre, weil die Entscheidung des Senats insoweit um mehr als 30 % von der Begehrensvorstellung der Kläger abweicht und diese Abweichung im Übrigen auch darauf beruht, dass der Senat dem Zahlungsanspruch vom Klagevorbringen abweichende Tatsachen (nämlich die fehlende Erkennbarkeit der Kläger auf den Fotos) zugrunde gelegt hat (zum Ganzen z.B. BeckOK ZPO/Jaspersen, 43. Ed. 1.12.2021, ZPO § 92 Rn. 36). Denn jedenfalls in der Gesamtschau mit den im Übrigen erfolgreichen An- trägen der Kläger ist das Unterliegen insgesamt nur als geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusehen.

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.


Das Urteil als Druckversion gibt es hier:

(Anmerkung: Die vorbezeichnete Entscheidung ist anonymisiert, um die Prozessbeteiligten unkenntlich zu machen. Sie ist noch nicht rechtskräftig.)

Die Entscheidung können Sie hier herunterladen:

Download
OLG Celle - 5 U 114/21
Die Nutzung von Fotos fremder Wohnungen kann einem teuer zu stehen kommen!
OLG Celle, Urteil vom 24.02.2022 - 5 U 1
Adobe Acrobat Dokument 3.2 MB

Ihre Wohnung wurde im Internet veröffentlicht? - Sie wollen die Veröffentlichung verhindern? - Wir helfen Ihnen!

Wir helfen Ihnen gerne und vertreten Sie deutschlandweit.

 

Sprechen Sie uns einfach unverbindlich an!



Haben Sie eine Frage oder eine Anmerkung zu diesem Thema? - Nutzen Sie die Kommentarfunktion!

Nach Prüfung werden wir Ihre Frage beantworten. Bitte beachten Sie jedoch, dass die Beantwortung Ihrer Rechtsfrage grundsätzlich keine Rechtsberatung ersetzt. Auch hier gilt der Gewährleistungsausschluss, wonach wir für die Beantwortung ihrer Fragen keine Gewähr übernehmen können. Wir beantworten Ihre Frage lediglich unverbindlich. Natürlich freuen wir uns auch über Anmerkungen, Verbesserungsvorschläge oder ein Feedback!


Kommentar schreiben

Kommentare: 0